Stellungnahme zu den Entwürfen eines Gesetzes und einer Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

Stellungnahme | März 2023

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) wurde eingeladen, zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung Stellung zu nehmen. Der SVR begrüßt die über alle drei Säulen der künftigen Fachkräfteeinwanderung hinweg erfolgende, aber als maßvoll einzuschätzende Stärkung materieller, nicht formal dokumentierter Qualifikationen in Form von Berufserfahrung. Die bisherigen Überlegungen zur sogenannten Chancenkarte schätzt der SVR jedoch als wenig überzeugend ein. In Bezug auf die Rechtssetzung gehört Deutschland im Bereich der Fachkräfteeinwanderung bereits seit vielen Jahren zu den liberalsten Einwanderungsländern der Welt. Nicht so bei der Rechtsumsetzung: Die Einwanderungsverwaltung ist chronisch überlastetet und kaum digitalisiert. Hier besteht deshalb die Gefahr, dass mit zusätzlich vorgesehenen Prüfpflichten ein neuer Flaschenhals im Verwaltungsprozess etabliert wird. Angesichts eines komplexer werdenden Rechtsrahmens sollte die Bundesregierung deshalb die Einwanderungsverwaltung rasch und umfassend befähigen, mit den neuen Herausforderungen auch umgehen zu können. Mit schnelleren und einfacheren Verfahren könnte Deutschlands Attraktivität als Einwanderungsland für Arbeitskräfte aus Drittstaaten gestärkt, reguläre Migration ermöglicht und irreguläre Migration reduziert werden.

“Win some, lose some, it‘s all the same”? Zu Bedeutungsgewinn und -verlust der Auswahlkriterien im Rahmen der Reform der Fachkräfteeinwanderung

Kurzinformation | Februar 2023

Mit dem Referentenentwurf zu einem Gesetz sowie einer Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung haben das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) sowie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zahlreiche Reformvorschläge im Bereich des Erwerbsmigrationsrechts vorgelegt. Der wissenschaftliche Stab des SVR hat diese im Rahmen einer Kurzinformation analysiert. Dabei zeigt sich, dass bisherige Auswahlkriterien für ausländische Fachkräfte teilweise an Bedeutung verlieren, während Kriterien, die bisher nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben, wichtiger werden. Dies hat zwar deutliche Änderungen im deutschen Erwerbsmigrationsrecht zur Folge – sie fallen indes weniger gravierend aus, als einige Diskussionen im Vorfeld haben erwarten lassen.

Integrationsklima 2022: Leicht verbessert mit einzelnen Eintrübungen

SVR-Bericht | Dezember 2022

Der vom Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) im Rahmen einer repräsentativen Befragung ermittelte Integrationsklima-Index erreicht ungeachtet des erneut starken Zuzugs von Flüchtlingen insbesondere aus der Ukraine und den damit verbundenen Herausforderungen seinen höchsten Wert seit Erhebungsbeginn. Eintrübungen ergeben sich durch die Erfahrung von Diskriminierung und wahrgenommene Gleichstellungshindernisse. Bei der politischen Partizipation besteht weiter eine Teilhabelücke; zentrale Elemente des demokratischen Systems finden breite Unterstützung.

Das SVR-Integrationsbarometer 2022 bildet das Integrationsklima in der Einwanderungsgesellschaft ab und erhebt Einschätzungen und Einstellungen zu integrations- und migrationsspezifischen Themen. Die vierte bundesweite Erhebung mit über 15.000 Befragten ist sowohl auf Bundesebene als auch auf Länderebene repräsentativ für die Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund, auf Bundesebene auch für die verschiedenen Herkunftsgruppen.

Videostatement der SVR-Vorsitzenden Prof. Petra Bendel zur Veröffentlichung des Integrationsbarometers (Link bewirkt Weiterleitung zur Videoplattform YouTube).

Videostatement des SVR-Mitglieds Prof. Marc Helbling zur Veröffentlichung des Integrationsbarometers (Link bewirkt Weiterleitung zur Videoplattform YouTube).

Integrationsgesetze auf Länderebene: Eine aktualisierte Bestandsaufnahme – und was der Bund daraus lernen kann

Studie | November 2022

Die Bundesländer haben verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten in der Integrationspolitik. In den letzten zehn Jahren haben fünf Länder diesen Spielraum zur Verabschiedung von Integrations- und Teilhabegesetzen genutzt, zwei davon wurden bereits umfassend reformiert. In weiteren Ländern sind entsprechende Gesetze in Vorbereitung. Auch auf Bundesebene sieht der Koalitionsvertrag ein Partizipationsgesetz für mehr Repräsentanz und Teilhabe vor. Aus diesem Anlass hat der wissenschaftliche Stab des SVR im Auftrag des Bundesministeriums des Innern und für Heimat einen Policy Brief zu den Integrationsgesetzen auf Länderebene aus dem Jahr 2017 aktualisiert. Der Vergleich der Regelwerke in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern und Schleswig-Holstein zeigt: Integrations- und Teilhabegesetze können Integrationspolitik nicht nur symbolisch aufwerten, sondern entfalten auch Steuerungswirkung, indem sie Grundsätze verankern und Strukturen zur Koordination und Mitwirkung schaffen oder stärken. Über ihre Wirkung entscheidet neben der rechtlichen Ausgestaltung dabei auch die politische Umsetzung. Die Studie des wissenschaftlichen Stabs leitet aus der Analyse der Ländergesetze auch Impulse für das Vorhaben eines Bundespartizipationsgesetzes ab.

Integration in der Freien und Hansestadt Hamburg. Sonderauswertung des SVR-Integrationsbarometers 2020

Expertise | November 2022

Im Rahmen einer Sonderauswertung der Daten des Integrationsbarometers 2020 hat der wissenschaftliche Stab des SVR den Stand der Integration in Hamburg untersucht. Es handelt sich nach 2018 bereits um die zweite Analyse dieser Art und erlaubt damit einen Vergleich der Ergebnisse zu den beiden Zeitpunkten. Insgesamt zeigt sich für Hamburg dabei ein mehrheitlich positives Bild, das in vielerlei Hinsicht dem im übrigen Bundesgebiet entspricht: So werden das Integrationsklima und die interkulturellen Kontakte zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in Hamburg in allen Lebensbereichen vom Freundes- und Bekanntenkreis, über den Arbeitsplatz bis hin zur Nachbarschaft insgesamt anhaltend positiv bewertet. Der Vergleich zu 2018 zeigt jedoch auch: Die Kontakthäufigkeit von Menschen mit Migrationshintergrund zu Menschen ohne Migrationshintergrund ist in Hamburg im Freundes- und Bekanntenkreis sowie in der Nachbarschaft zurückgegangen. Offen ist, inwiefern dies auf allgemeine Kontaktbeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie zurückzuführen ist.

Die Expertise wurde im Auftrag der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration der Freien und Hansestadt Hamburg erstellt.

Auf Partnersuche? Staat und Migrantendachverbände in der Integrationspolitik

Policy Brief | November 2022

Migrantenorganisationen haben in Deutschland zahlreiche Dachverbände gegründet, die sich dynamisch entwickeln und als wichtige Partner der Integrationspolitik gelten. Dennoch gibt es noch viele Wissenslücken über das Verhältnis von Staat und Migrantendachverbänden. Der Policy Brief untersucht, welche gesellschaftlichen Rollen und Funktionen Migrantendachverbände übernehmen und wie sie sich in die übrige Verbändelandschaft einordnen lassen. Sie bilden keinen homogenen Verbändetyp, sondern unterscheiden sich in ihren Leistungsprofilen und (integrationspolitischen) Repräsentationsansprüchen. Der jeweilige Fokus prägt die Beziehungen zu Politik und Verwaltung. Die Publikation bildet die Vorarbeit für ein breiter angelegtes Forschungsprojekt zu Migrantendachverbänden auf Bundesebene und ihren Beziehungen zu staatlichen Akteurinnen und Akteuren.

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren

Stellungnahme | Oktober 2022

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) wurde eingeladen, zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren des Bundesministeriums für Inneres und für Heimat Stellung zu nehmen. Der SVR erachtet die Verfahrensbeschleunigung von Asylverfahren als dringend erforderlich und begrüßt daher das mit dem Gesetzesentwurf verfolgte Anliegen. Denn faire und zügige Asylverfahren liegen aus Sicht des SVR im Interesse der Schutzberechtigten und des Staates, da lange Verfahren die Integration der bleibeberechtigten Personen verzögern. Auch bei denjenigen, deren Asylgesuch abgelehnt wird, erschweren lange Verfahren die freiwillige Beachtung oder zwangsweise Durchsetzung der gesetzlichen Ausreisepflicht. Im Fall einer Gesetzesänderung müssen die Bundesländer nach Ansicht des SVR notwendige administrative Ressourcen für die Verwaltungsgerichtsbarkeit bereitstellen. Von zentraler Bedeutung ist, dass bei der Beschleunigung Transparenz und Fairness gewahrt oder erhöht werden. Die unabhängige Asylverfahrensberatung kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Der SVR begrüßt außerdem, dass die Regelüberprüfung von Asylbescheiden abgeschafft werden soll. Damit können die vorhandenen Kapazitäten im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge besser zur weiteren Beschleunigung der Asylverfahren genutzt werden. Zudem wird eine unnötige Beunruhigung von anerkannten Flüchtlingen vermieden.

Antimuslimische und antisemitische Einstellungen im Einwanderungsland – (k)ein Einzelfall?

Studie | Oktober 2022

Antimuslimische und antisemitische Einstellungen in Deutschland sind seit Jahren Gegenstand der öffentlichen wie politischen Debatte. Sie stören das gesellschaftliche Zusammenleben. In jüngster Zeit wurden zudem mehr derartig politisch motivierte Straftaten registriert. Die Studie zeigt, dass antimuslimische und antisemitische Einstellungen keine Randphänomene sind. Sie sind sowohl bei Menschen mit als auch ohne Migrationshintergrund verbreitet. Dabei hängen sie – das zeigt die Auswertung von Daten des SVR-Integrationsbarometers 2020 – vor allem mit Merkmalen wie der Bildungsbiografie, interkulturellen Kontakten und der sozialen Schicht oder etwa Diskriminierungserfahrungen und Religionszugehörigkeit zusammen. Vor diesem Hintergrund hat der wissenschaftliche Stab des SVR Handlungsempfehlungen für die (Integrations-)Politik entwickelt und dabei insbesondere auch die Möglichkeiten auf kommunaler Ebene, in Bildungseinrichtungen und Religionsgemeinschaften in Betracht gezogen.

Ein Videostatement des Autors Dr. Friedrichs und der Autorin Dr. Storz können Sie sich ansehen, wenn Sie diesem Link zur Videoplattform YouTube folgen.

Zuzug ausländischer Arbeitskräfte erleichtern. Chancen und Risiken eines Punktesystems

Positionspapier | September 2022

Mit der Einführung der von der Regierungskoalition geplanten Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems könnte das Erwerbsmigrationsrecht vor einem Systemwechsel stehen. Dafür ist laut Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) in der Politik ein Umdenken nötig: Statt wie bisher bei ausländischen Arbeitskräften vor allem auf eine als gleichwertig anerkannte Berufsausbildung zu setzen, würden insbesondere materielle Qualifikationen wie etwa Berufserfahrung und Sprachkenntnisse im Bereich der unreglementierten Berufe an Bedeutung gewinnen.

Im Positionspapier erläutert der SVR, welche Chancen und Risiken mit einem Punktesystem einhergehen. Damit ein solches System einen Mehrwert darstellt, sollte der Anwendungsbereich weiter gefasst werden als im Koalitionsvertrag skizziert, der die Möglichkeiten der Jobsuche ausweiten will. Der SVR schlägt vor, auch solche Ausländerinnen und Ausländer in den Blick zu nehmen, die im deutschen Erwerbsmigrationsrecht bislang nicht systematisch erfasst sind: Arbeitskräfte ohne Formalqualifikation, die bestimmte Kriterien erfüllen. Zusätzlich sollten Anerkennungsverfahren schlanker und transparenter gestaltet und beteiligte Behörden gestärkt werden.

‚Zeitenwende‘ bei der Arbeitsmarktintegration? Teilhabe und Prekarität von Ukrainerinnen und Ukrainern am deutschen Arbeitsmarkt

Policy Brief | August 2022

Vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine waren ukrainische Arbeitskräfte häufig unter prekären Arbeitsbedingungen im juristischen Nischen- und Graubereich des deutschen Niedriglohnsektors beschäftigt. Durch die Aktivierung der Massenzustrom-Richtlinie sind ukrainische Geflüchtete in Deutschland kollektiv anerkannt und erhalten einen sofortigen Zugang zum Arbeitsmarkt und den arbeitsfördernden Maßnahmen und Leistungen der deutschen Grundsicherung. Der Policy Brief untersucht, inwieweit für Personen aus der Ukraine unter den Rahmenbedingungen der Erwerbsmigration und denen der Fluchtmigration das Risiko prekärer Arbeits- und Lebensbedingungen besteht. Für ukrainische Geflüchtete wurden durch die Aktivierung der Massenzustroms-Richtlinie und den Wechsel in die deutsche Grundsicherung zentrale rechtliche Teilhabebeschränkungen abgebaut. Strukturelle Hürden der Teilhabe am Arbeitsmarkt und in der behördlichen Praxis sind jedoch damit nicht überwunden, sodass das Risiko für prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen weiterhin besteht.