Deutschland verbunden: Menschen mit Zuwanderungsgeschichte fühlen sich mehrheitlich zugehörig

Kurzinformation | August 2023

Im Rahmen einer Kurzinformation hat der wissenschaftliche Stab des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) Daten des SVR-Integrationsbarometers ausgewertet. Die Analyse zeigt, dass sich Zugewanderte und ihre Nachkommen mehrheitlich Deutschland zugehörig fühlen. Bisweilen erhobene pauschalisierende Vorwürfe einer „fehlenden Loyalität“ stimmen daher mit der empirischen Realität in der deutschen Einwanderungsgesellschaft nicht überein.

Die Daten zeigen erneut, dass Integration vor allem eine Frage der Aufenthaltsdauer ist. Denn für ein ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl müssen emotionale Bindungen und interkulturelle Kontakte aufgebaut und die deutsche Sprache erlernt werden – das braucht Zeit. Doppelte Bindungen an das Herkunftsland und an Deutschland schließen sich dabei nicht aus. Fast jede zweite Person mit Zuwanderungsgeschichte hat eine solche doppelte Bindung. Diskriminierungserfahrungen können dagegen zur Folge haben, dass sich Personen von Deutschland abwenden und marginalisiert werden.

Das SVR-Integrationsbarometer „Integrationsklima 2022: Leicht verbessert mit einzelnen Eintrübungen“ finden Sie hier.

SVR-Jahresbericht 2022

Jahresbericht | August 2023

Das Jahr 2022 begann mit einem höchst folgenreichen Ereignis: Russland startete im Februar seinen bis heute andauernden Angriffskrieg auf die Ukraine, der die größte Fluchtbewegung innerhalb Europas seit Ende des Zweiten Weltkriegs auslöste und zur erstmaligen Aktivierung der Richtlinie zum temporären Schutz durch die EU führte. Diese und weitere Entwicklungen begleitete der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) gemäß seinem Mandat, als unabhängiges Gremium Politik und Öffentlichkeit wissenschaftsbasiert zu beraten. Der vorliegende Jahresbericht gibt einen Einblick in Aufgaben und Arbeit des SVR und der ihn unterstützenden Geschäftsstelle. Dabei geht er u. a. auf das SVR-Jahresgutachten 2022 ein, das sich der Rolle von Migrantinnen und Migranten als Leistungserbringende und -empfangende im deutschen Gesundheitswesen widmet. Auch zentrale Ergebnisse aus dem SVR-Integrationsbarometer 2022 sowie Inhalte aus Forschungsprojekten des wissenschaftlichen Stabs des SVR werden erläutert. Dabei geht es etwa um Szenarien zur Entwicklung des künftigen Einbürgerungsaufkommens von syrischen Flüchtlingen sowie den Stand der Integration von (Spät‑)Aussiedlerinnen und (Spät‑)Aussiedlern. Auch Reformvorhaben der Bundesregierung wie zur Fachkräfteeinwanderung sowie zum Staatsangehörigkeitsrecht wurden vom SVR inhaltlich begleitet.

Jahresbericht – Download:

Integrationsmotor Kita. Wie gut ist die frühkindliche Betreuung auf den Normalfall Vielfalt eingestellt?

Kurzinformation | August 2023

Seit dem 1. August 2013 haben Kinder nach vollendetem ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Dank des vollzogenen Ausbaus und zahlreicher Reformen wurden in der frühkindlichen Bildung deutliche Fortschritte erzielt. Auch die Sprachbildung für Kinder mit Zuwanderungsgeschichte wurde in den vergangenen zehn Jahren ausgebaut. Und dennoch: Wie eine Kurzinformation des wissenschaftlichen Stabs zeigt, werden die Bedarfe zugewanderter Kinder noch nicht hinreichend berücksichtigt. Damit die Kita Integrationsmotor wird, muss der Kitazugang für die Zielgruppe verbessert und Maßnahmen zur Qualitätssicherung gezielter ausgerichtet werden.

Update: Flüchtlinge als Neubürgerinnen und Neubürger

Kurzinformation | Juli 2023

Immer mehr Menschen, die 2015/16 nach Deutschland geflohen und mittlerweile gut integriert sind, erfüllen die Voraussetzungen und lassen sich einbürgern. So erhielten im Jahr 2021 bundesweit 19.100 syrische Staatsangehörige den deutschen Pass – fast dreimal so viele wie im Jahr zuvor. Im Rahmen eines Forschungsprojekts hat der wissenschaftliche Stab des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) Projektionen des Einbürgerungsaufkommens für die nächsten Jahre entwickelt.

Die Berechnung auf Grundlage von Daten aus der Einbürgerungsstatistik 2020, die im Jahr 2022 in einem Policy Brief veröffentlicht wurde, zeigt, dass insbesondere bis 2024 erhebliche Steigerungsraten bei den Einbürgerungen von Syrerinnen und Syrern zu erwarten sind. Diese Annahmen wurden im Rahmen einer Neuberechnung des Modells mit Zahlen aus der Einbürgerungsstatistik 2021 bestätigt, das als Update der Veröffentlichung zur Verfügung steht. Demnach ist nicht nur weiterhin mit erheblichen Steigerungsraten zu rechnen. Der „Einbürgerungsboom“ tritt auch früher ein als noch 2022 prognostiziert. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Behörden entsprechend hohe Antragszahlen auch ohne massive Verzögerungen bewältigen können. Im Policy Brief benennen die Autoren dazu Handlungsnotwendigkeiten, wie ein ‚Einbürgerungsstau‘ vermieden werden könnte. Zentral ist dabei eine personelle Aufstockung in den Einbürgerungsbehörden. Auch eine weitere Digitalisierung bietet Möglichkeiten, dem steigenden Einbürgerungsinteresse gerecht zu werden.

Den dazugehörigen Policy Brief "Flüchtlinge als Neubürgerinnen und Neubürger. Das Potenzial der nächsten Jahre" sowie weitere Informationen finden Sie unter diesem Link.

Vom Annex zum eigenständigen System: Zur Aufwertung der Chancenkarte (§ 20a AufenthG) im Zuge der Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

Kurzinformation | Juli 2023

Mit der im Sommer 2023 beschlossenen Reform der Erwerbsmigration wird eine sogenannte Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems eingeführt. Sie bündelt und erweitert die Optionen für Ausländerinnen und Ausländer aus Nicht-EU-Staaten, zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland einzureisen. Zu Beginn des Gesetzgebungsprozesses noch vielfach kritisiert, haben sich die Regelungen bis zur Verabschiedung der Reform durch den Bundestag deutlich geändert. Im Rahmen einer Kurzinformation hat der wissenschaftliche Stab des SVR die Änderungen analysiert und festgestellt: Die Chancenkarte hat als Instrument des Erwerbsmigrationsrechts dadurch erheblich an Bedeutung gewonnen.

Selektive Solidarität: Wovon Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen abhängt

Policy Brief | Juli 2023

Die Fluchtmigration nach Deutschland hat im Jahr 2022 wieder deutlich zugenommen. Zu den steigenden Zahlen von Asylanträgen von Menschen etwa aus Syrien oder Afghanistan setzte im Februar 2022 auch die kriegsbedingte Fluchtmigration aus der Ukraine ein. Vor diesem Hintergrund hat der wissenschaftliche Stab des SVR im Frühjahr 2023 Daten erhoben, um der Frage nachzugehen, ob sich die Aufnahmebereitschaft gegenüber verschiedenen Flüchtlingsgruppen seitens der Bevölkerung in Deutschland unterscheidet.

Der Policy Brief zeigt, dass besonders ukrainischen, christlichen, hochgebildeten Frauen mit Rückkehrabsicht häufig Hilfe entgegengebracht würde. Die Unterschiede zu anderen Gruppen fallen allerdings eher gering aus und es gibt insgesamt eine erhebliche Unterstützungsbereitschaft. Für diese Bereitschaft sind auch persönliche Eigenschaften der Befragten von Bedeutung. Als besonders relevant für ihre Solidarität erweisen sich politische Einstellungen, das Gefühl politischer Selbstwirksamkeit sowie Vertrauen in Institutionen. Vor allem die kommunale Ebene könnte daher eine wichtige Rolle spielen: Wo auf den Bedarf der schon ansässigen Bürgerinnen und Bürger eingegangen wird, ist ein positiver Effekt auf die Flüchtlingssolidarität zu erwarten.

Der Policy Brief wurde gefördert von der Stiftung Mercator.

Prekäre Beschäftigung – prekäre Teilhabe. Ausländische Arbeitskräfte im deutschen Niedriglohnsektor

Studie | Juni 2023

Ausländische Arbeitskräfte sind in vielen Branchen der deutschen Wirtschaft längst unverzichtbar geworden. Dazu zählen auch solche Sektoren, in denen prekäre Arbeitsverhältnisse, die durch geringe Entlohnung und harte Arbeitsbedingungen gekennzeichnet sind, oftmals nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind. Der SVR untersucht im Rahmen einer qualitativen Interviewstudie die Ursachen und Folgen von Prekaritätsverhältnissen auf dem Arbeitsmarkt, die ausländische Arbeitskräfte betreffen. Die Studie gibt praxisorientierte Handlungsempfehlungen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Klimawandel und Migration: Was wir über den Zusammenhang wissen und welche Handlungsoptionen es gibt

Jahresgutachten | Mai 2023

Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen der Gegenwart. Die Folgen der globalen Erderwärmung sind vielschichtig. Klimawandelbedingte Umweltveränderungen und Extremwetterereignisse verschärfen nicht nur bestehende soziale, ökonomische oder politische Problemlagen, sondern erhöhen auch den Migrationsdruck. Klimawandelbedingte Migration nimmt zu.

Der SVR hat in seinem 14. Jahresgutachten untersucht, wie der Klimawandel das globale, regionale und lokale Migrationsgeschehen beeinflusst und welche Erfordernisse sich hieraus für migrations- und flüchtlingspolitisches Handeln ergeben.

Für den politischen Umgang mit klimawandelbedingter Migration empfiehlt der SVR, das gesamte migrationspolitische Instrumentarium zu nutzen. Dazu gehören Maßnahmen aus der Flüchtlingspolitik wie die Vergabe von humanitären Visa, eine temporäre Schutzgewährung oder auch die Aussetzung von Rückführungen in betroffene Länder und Regionen, sowie Ansätze aus der Migrationspolitik wie regionale Abkommen zur Personenfreizügigkeit. Mit drei Instrumenten – dem Klima-Pass, der Klima-Card und dem Klima-Arbeitsvisum – kann die Bundesregierung zudem international eine Vorreiterrolle einnehmen. Die vom SVR empfohlenen Maßnahmen sind dabei als Bausteine einer größeren Gesamtstrategie zu verstehen, die alle politischen Ebenen, die Wirtschaft und Gesellschaft umfasst und ein koordiniertes Handeln über Ressortgrenzen hinweg erfordert.

Videostatement des SVR-Vorsitzenden Prof. Hans Vorländer (Link bewirkt Weiterleitung zu YouTube)

Videostatement der Stellv. SVR-Vorsitzenden Prof. Birgit Leyendecker (Link bewirkt Weiterleitung zu YouTube)

Ausgewählte Botschaften aus dem SVR-Jahresgutachten 2023 (Link bewirkt Weiterleitung zu YouTube)

Ein Leben ohne Pass: Staatenlose und ihre Situation in Deutschland

Policy Brief | März 2023

Eine Staatsangehörigkeit zu besitzen ist für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit. Dadurch sind sie mit einem bestimmten Staat über ein Bündel an Rechten und Pflichten verbunden und genießen dessen Schutz. Staatenlose oder Menschen, deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist, haben entsprechend weniger Rechte. Insbesondere im Rahmen der Fluchtzuwanderung seit 2014 hat das Phänomen an Bedeutung gewonnen: 2022 lebten rund 29.500 staatenlose Personen und rund 97.000 Personen mit einer ungeklärten Staatsangehörigkeit in Deutschland – doppelt so viele wie noch 2014. Das Wissen über diese Gruppen ist bislang begrenzt; in der öffentlichen und politischen Debatte spielen sie kaum eine Rolle. Und das, obwohl es sich um eine besonders vulnerable Gruppe handelt und Staatenlosigkeit international als unerwünscht gilt.

Der Policy Brief wirft einen ersten Blick auf diese Gruppen und untersucht die soziodemografische Zusammensetzung sowie ihre rechtliche Situation in Deutschland. Dabei zeigt sich, dass rund ein Drittel derjenigen mit einer ungeklärten Staatsangehörigkeit bereits in Deutschland geboren wurden; bei der Gruppe der Staatenlosen waren es 16 Prozent. Zwei Drittel der Staatenlosen und mehr als die Hälfte derjenigen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit leben bereits seit über sechs Jahren in Deutschland; viele besitzen entweder nur einen befristeten oder gar keinen Aufenthaltstitel. Insgesamt wird deutlich, dass die Hürden zur Anerkennung der Staatenlosigkeit sehr hoch sind, weil es kein transparentes und systematisches Anerkennungsverfahren gibt.

Der Policy Brief wurde gefördert von der Robert Bosch Stiftung.

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Integrations- und Teilhabegesetzes für Schleswig-Holstein

Stellungnahme | März 2023

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) wurde eingeladen, zu dem Gesetzentwurf zur Änderung des Integrations- und Teilhabegesetzes für Schleswig-Holstein Stellung zu nehmen. Integration ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, der die aktive Mitwirkung aller Beteiligten erfordert. Dieses vom SVR vertretene Verständnis wird im Rahmen des Änderungsentwurfs gestärkt. Die Rolle von Politik und Verwaltung, integrationsförderliche Rahmenbedingungen zu schaffen, wird hervorgehoben. Auch enthält der vorliegende Entwurf mehrere Änderungen, mit denen die Bestimmtheit des Gesetzes erhöht werden soll. So werden bereits definierte und erprobte Zielbestimmungen bzw. Instrumente als auch neu hinzugekommene nun auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Dazu zählt u. a. die Ausweitung des Berufsschulbesuchsrechts für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte über das 18. Lebensjahr hinaus.

Die Frage der finanziellen Hinterlegung dieser Maßnahmen klammert der Entwurf jedoch aus. Es wird versäumt, Verantwortlichkeiten in Politik und Behörden klar zu benennen. Zudem sind keine Änderungen in integrationsrelevanten Rechtsgebieten in Form eines Artikelgesetzes vorgesehen. Dennoch bietet der vorliegende Entwurf aus Sicht des SVR konkrete Impulse für die Weiterentwicklung des schleswig-holsteinischen Integrationsgesetzes.