Stellungnahme zu den Möglichkeiten und Grenzen einer rechtskonformen Auslagerung von Asylverfahren in Transit- und Drittstaaten

Stellungnahme | Juni 2024

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR), Prof. Dr. Hans Vorländer, und Prof. Dr. Winfried Kluth, Mitglied des SVR, wurden vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) eingeladen, aus Anlass eines Austausches von Sachverständigen im BMI im März 2024 Stellung zu den Möglichkeiten einer rechtskonformen Auslagerung von Asylverfahren in sichere Drittstaaten zu nehmen. Die im Nachgang des Gesprächs dem Ministerium übermittelte heute veröffentlichte gemeinsame Stellungnahme beider macht erhebliche Bedenken geltend.

Die diskutierten Vorschläge zu einer Auslagerung von Asylverfahren werfen erhebliche politische, juristische und operative Fragen auf. Das gilt vor allem für die Beachtung des in der Genfer Flüchtlingskonvention verankerten Prinzips der Nichtzurückweisung sowie das Verbot der kollektiven Ausweisung. Eine Kooperation mit Drittstaaten und im internationalen Verbund ist auch im Flüchtlingsschutz unabdingbar. Dazu braucht es mehr und bessere Migrationsabkommen, bei denen die Verantwortung nicht einfach ausgelagert, sondern geteilt werden muss. Es geht um die Öffnung regulärer Zugangswege etwa im Bereich der Arbeitsmigration und Migration zum Zweck der Aus- und Weiterbildung. Eine reine Auslagerung von Verfahren und Schutz hingegen würde die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union in Fragen der Menschenrechte nachhaltig erschüttern.

Stellungnahme zu den Gesetzentwürfen zur Neuordnung im Migrationsbereich durch Schaffung einer zentralen Ausländerbehörde

Stellungnahme | Mai 2024

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) wurde vom Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz des Thüringer Landtags eingeladen, Stellung zu den dort beratenden Gesetzentwürfen zur Neuordnung im Migrationsbereich zu nehmen. Beide Gesetzentwürfe sehen die Schaffung einer zentralen Landesausländerbehörde vor und zielen damit auf eine überschaubare Umorganisation auf oberbehördlicher Ebene ab.

In seiner Stellungnahme begrüßt der SVR das Ansinnen der einbringenden Fraktionen, die Neuorganisation von Aufgaben und Zuständigkeiten gesetzlich zu regeln, obwohl viele der geplanten Maßnahmen auch untergesetzlich durch Erlasse oder Verwaltungsvorschriften umsetzbar wären. Ein Gesetzgebungsprozess werde der fortgesetzten Bedeutung von Fragen der Migrationssteuerung im Freistaat Thüringen gerecht und ermögliche eine breitere öffentliche Debatte sowie die Möglichkeit, im Rahmen von Beteiligungsverfahren die Positionen unterschiedlicher Akteure einzubeziehen. Im Weiteren setzt sich der SVR auch dezidiert mit einzelnen Regelungsvorschlägen der Fraktionen auseinander und bewertet diese. Dabei regt er an, die neue zentrale Ausländerbehörde so auszugestalten, dass sie von den kommunalen Behörden als echte Unterstützung und Servicestelle wahrgenommen werden kann.

Stellungnahme zur Einführung eines Teilhabe- und Partizipationsgesetzes Niedersachsen

Stellungnahme | Februar 2024

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) wurde eingeladen, im Vorfeld der Beratungen zur Einführung eines niedersächsischen Teilhabe- und Partizipationsgesetzes eine Stellungnahme abzugeben. Der SVR begrüßt die Bemühungen um eine nachhaltige Ausgestaltung der Integrationsinfrastruktur und das Vorhaben eines Teilhabe- und Partizipationsgesetzes. Dabei ist es aus Sicht des SVR wichtig, Integration als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu sehen und ein auf Potenziale ausgelegtes Verständnis von Zuwanderung und Diversität voranzubringen.

Der SVR empfiehlt ein Gesetz, das nicht nur eine symbolisch-kommunikative Dimension hat, sondern auch durch konkrete Umsetzungsinstrumente flankiert ist und Zuständigkeiten klar bestimmt. Ein zentraler Regelungsbereich sollte die diversitätssensible Öffnung der Verwaltung sein. Darüber hinaus kann für die Einrichtung von Integrationsbeiräten und -beauftragten auf Ebene des Landes und der Kommunen eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Im Hinblick auf die Wirkung des Gesetzes ist auch die Frage der finanziellen Hinterlegung zentral. Hier regt der SVR eine Verknüpfung mit gezielten Fördermaßnahmen an.

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Jugendbeteiligung und Integration von Menschen mit Einwanderungsgeschichte sowie zur Änderung anderer Gesetze

Stellungnahme | Januar 2024

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) wurde eingeladen, zum Entwurf eines Gesetzes zur Jugendbeteiligung und Integration von Menschen mit Einwanderungsgeschichte sowie zur Änderung anderer Gesetze Stellung zu nehmen. Das darin enthaltene Gesetz zur Förderung von Integration, Teilhabe und Vielfalt in Mecklenburg-Vorpommern verankert Integration als gesamtgesellschaftlichen Prozess, der die aktive Mitwirkung aller Beteiligten erfordert. Die Rolle von Politik und Verwaltung, integrationsförderliche Rahmenbedingungen zu schaffen, wird hervorgehoben. Dabei wird insgesamt ein auf Potenziale ausgelegtes Verständnis von Diversität vorangebracht. Diese Ausrichtung des Entwurfs begrüßt der SVR ausdrücklich.

Mit wenigen Ausnahmen werden die festgeschriebenen Ziele und Absichtsbekundungen jedoch nicht durch die Benennung klarer Zuständigkeiten oder verbindlicher Vorgaben und Instrumente zur Umsetzung untermauert. Der Entwurf sieht zudem keine eigene finanzielle Hinterlegung vor, die den Aufbau nachhaltiger Integrationsstrukturen unterstützen würde. Die Möglichkeit, im Rahmen des Artikelgesetzes Änderungen in bestehenden integrationsrelevanten Rechtsgrundlagen vorzunehmen, wird nur begrenzt genutzt. Hier sieht der SVR Nachbesserungsmöglichkeiten.

Positionspapier zur Weiterentwicklung des Staatsangehörigkeitsrechts

Positionspapier | November 2023

Im August 2023 hat die Bundesregierung einen vom Bundesministerium des Innern und für Heimat erarbeiteten Gesetzentwurf zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts (StARModG-E) vorgelegt. Dieser wird ab dem 1. Dezember im Bundestag beraten. Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) sieht im Entwurf das Potenzial, die Einbürgerungszahlen in Deutschland nachhaltig zu erhöhen.

Im Positionspapier erläutert der SVR, welche Chancen und Risiken mit der geplanten Weiterentwicklung des Staatsangehörigkeitsrechts einhergehen. Durch die Verkürzung der für einen Anspruch auf Einbürgerung erforderlichen Aufenthaltsfristen sowie die Zulassung der Mehrstaatigkeit bei Einbürgerung werden zentrale Einbürgerungshürden beseitigt. Die unlimitierte Weitergabe doppelter Staatsangehörigkeit über Generationen hinweg wirft jedoch demokratiepolitische Fragen auf. Mit Blick auf das Einbürgerungskriterium der Lebensunterhaltssicherung empfiehlt der SVR, am Status quo festzuhalten: Der Bezug von Sozialleistungen ist dann kein Einbürgerungshindernis, wenn die betroffene Person die Inanspruchnahme nicht selbst zu vertreten hat. Der SVR befürwortet, dass das für die Anspruchseinbürgerung geforderte Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes um einen deklamatorischen Zusatz ergänzt wird, der u. a. antisemitisch oder rassistisch motivierte Handlungen explizit als Ausschlussgrund nennt. Er verweist jedoch darauf, dass der Zusatz weitgehend unbestimmte Rechtsbegriffe beinhaltet. Damit die mit der Reform bezweckte erleichterte Einbürgerung gelingen kann, ist es aus Sicht des SVR notwendig, die praktische Umsetzung mitzudenken. Nur wenn die Einbürgerungsbehörden entsprechend vorbereitet und adäquat ausgestattet werden, kann eine wachsende Zahl an Einbürgerungsanträgen zeitnah bearbeitet werden.

Stellungnahme zum Entwurf eines Thüringer Gesetzes zur Neuordnung der Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Migrations- und Integrationsangelegenheiten

Stellungnahme | August 2023

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) wurde eingeladen, Stellung zum Entwurf eines Thüringer Gesetzes zur Neuordnung der Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Migrations- und Integrationsangelegenheiten zu nehmen. Nach Ansicht des SVR handelt es sich bei der im Entwurf vorgesehenen Neuregelung der bestehenden Zuordnung von Aufgaben und Zuständigkeiten im Bereich der Migrationsverwaltung auf Landesebene um eine überschaubare Umorganisation auf mittelbehördlicher Ebene des Landes; eine umfassende politikfeldbezogene Verwaltungsreform sei die geplante Reform nicht. Deshalb regt der SVR an, schon im Gesetzgebungsverfahren vorhandene Potenziale zu identifizieren und früher zu nutzen. So könnte das vorgesehene Thüringer Amt für Migration und Integration schon jetzt eine größere Rolle bei der verwaltungstechnischen Neuordnung übernehmen, etwa in den Bereichen Fachkräftemigration oder Einbürgerung.

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Integrations- und Teilhabegesetzes für Schleswig-Holstein

Stellungnahme | März 2023

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) wurde eingeladen, zu dem Gesetzentwurf zur Änderung des Integrations- und Teilhabegesetzes für Schleswig-Holstein Stellung zu nehmen. Integration ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, der die aktive Mitwirkung aller Beteiligten erfordert. Dieses vom SVR vertretene Verständnis wird im Rahmen des Änderungsentwurfs gestärkt. Die Rolle von Politik und Verwaltung, integrationsförderliche Rahmenbedingungen zu schaffen, wird hervorgehoben. Auch enthält der vorliegende Entwurf mehrere Änderungen, mit denen die Bestimmtheit des Gesetzes erhöht werden soll. So werden bereits definierte und erprobte Zielbestimmungen bzw. Instrumente als auch neu hinzugekommene nun auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Dazu zählt u. a. die Ausweitung des Berufsschulbesuchsrechts für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte über das 18. Lebensjahr hinaus.

Die Frage der finanziellen Hinterlegung dieser Maßnahmen klammert der Entwurf jedoch aus. Es wird versäumt, Verantwortlichkeiten in Politik und Behörden klar zu benennen. Zudem sind keine Änderungen in integrationsrelevanten Rechtsgebieten in Form eines Artikelgesetzes vorgesehen. Dennoch bietet der vorliegende Entwurf aus Sicht des SVR konkrete Impulse für die Weiterentwicklung des schleswig-holsteinischen Integrationsgesetzes.

Stellungnahme zu den Entwürfen eines Gesetzes und einer Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

Stellungnahme | März 2023

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) wurde eingeladen, zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung Stellung zu nehmen. Der SVR begrüßt die über alle drei Säulen der künftigen Fachkräfteeinwanderung hinweg erfolgende, aber als maßvoll einzuschätzende Stärkung materieller, nicht formal dokumentierter Qualifikationen in Form von Berufserfahrung. Die bisherigen Überlegungen zur sogenannten Chancenkarte schätzt der SVR jedoch als wenig überzeugend ein. In Bezug auf die Rechtssetzung gehört Deutschland im Bereich der Fachkräfteeinwanderung bereits seit vielen Jahren zu den liberalsten Einwanderungsländern der Welt. Nicht so bei der Rechtsumsetzung: Die Einwanderungsverwaltung ist chronisch überlastetet und kaum digitalisiert. Hier besteht deshalb die Gefahr, dass mit zusätzlich vorgesehenen Prüfpflichten ein neuer Flaschenhals im Verwaltungsprozess etabliert wird. Angesichts eines komplexer werdenden Rechtsrahmens sollte die Bundesregierung deshalb die Einwanderungsverwaltung rasch und umfassend befähigen, mit den neuen Herausforderungen auch umgehen zu können. Mit schnelleren und einfacheren Verfahren könnte Deutschlands Attraktivität als Einwanderungsland für Arbeitskräfte aus Drittstaaten gestärkt, reguläre Migration ermöglicht und irreguläre Migration reduziert werden.

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren

Stellungnahme | Oktober 2022

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) wurde eingeladen, zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren des Bundesministeriums für Inneres und für Heimat Stellung zu nehmen. Der SVR erachtet die Verfahrensbeschleunigung von Asylverfahren als dringend erforderlich und begrüßt daher das mit dem Gesetzesentwurf verfolgte Anliegen. Denn faire und zügige Asylverfahren liegen aus Sicht des SVR im Interesse der Schutzberechtigten und des Staates, da lange Verfahren die Integration der bleibeberechtigten Personen verzögern. Auch bei denjenigen, deren Asylgesuch abgelehnt wird, erschweren lange Verfahren die freiwillige Beachtung oder zwangsweise Durchsetzung der gesetzlichen Ausreisepflicht. Im Fall einer Gesetzesänderung müssen die Bundesländer nach Ansicht des SVR notwendige administrative Ressourcen für die Verwaltungsgerichtsbarkeit bereitstellen. Von zentraler Bedeutung ist, dass bei der Beschleunigung Transparenz und Fairness gewahrt oder erhöht werden. Die unabhängige Asylverfahrensberatung kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Der SVR begrüßt außerdem, dass die Regelüberprüfung von Asylbescheiden abgeschafft werden soll. Damit können die vorhandenen Kapazitäten im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge besser zur weiteren Beschleunigung der Asylverfahren genutzt werden. Zudem wird eine unnötige Beunruhigung von anerkannten Flüchtlingen vermieden.

Zuzug ausländischer Arbeitskräfte erleichtern. Chancen und Risiken eines Punktesystems

Positionspapier | September 2022

Mit der Einführung der von der Regierungskoalition geplanten Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems könnte das Erwerbsmigrationsrecht vor einem Systemwechsel stehen. Dafür ist laut Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) in der Politik ein Umdenken nötig: Statt wie bisher bei ausländischen Arbeitskräften vor allem auf eine als gleichwertig anerkannte Berufsausbildung zu setzen, würden insbesondere materielle Qualifikationen wie etwa Berufserfahrung und Sprachkenntnisse im Bereich der unreglementierten Berufe an Bedeutung gewinnen.

Im Positionspapier erläutert der SVR, welche Chancen und Risiken mit einem Punktesystem einhergehen. Damit ein solches System einen Mehrwert darstellt, sollte der Anwendungsbereich weiter gefasst werden als im Koalitionsvertrag skizziert, der die Möglichkeiten der Jobsuche ausweiten will. Der SVR schlägt vor, auch solche Ausländerinnen und Ausländer in den Blick zu nehmen, die im deutschen Erwerbsmigrationsrecht bislang nicht systematisch erfasst sind: Arbeitskräfte ohne Formalqualifikation, die bestimmte Kriterien erfüllen. Zusätzlich sollten Anerkennungsverfahren schlanker und transparenter gestaltet und beteiligte Behörden gestärkt werden.