Afghanistan: Unterstützung auf allen Ebenen erforderlich
Die Lage in Afghanistan hat sich im Zuge der faktischen Machtübernahme der Taliban dramatisch entwickelt. Dies zeigt, wie schnell sich Situationen auch nach langjährigem internationalem Engagement ändern können. Nun braucht es neben der Evakuierung von Ortskräften humanitäre Aufnahmeprogramme und eine aktive Unterstützung der Nachbarstaaten. Hierbei sind nationale, europäische und internationale Maßnahmen abzustimmen. Zudem gilt es, vorhandene Ansätze und Programme zur Asyl- und Migrationspolitik zu überdenken und an neue Entwicklungen anzupassen.
Berlin, 6. September 2021. „Im Zuge der humanitären Krise in Afghanistan hat sich erneut gezeigt: Ein zukunftssicheres, gemeinsames europäisches Migrations- und Asylsystem ist nötiger denn je. Die aktuellen Ereignisse sollten den politisch Verantwortlichen deshalb einen neuen Anstoß geben, um die künftige EU-Asylpolitik leistungsfähiger und menschenrechtskonformer zu gestalten. Dafür braucht es Mut und Verantwortungsbewusstsein auf nationaler Ebene genauso wie internationale Kooperation,“ erklärt Prof. Petra Bendel, Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR).
Zusätzlich zu der in den kommenden Wochen möglichst fortzusetzenden Evakuierung der Ortskräfte, für die eine Sorgfaltspflicht der an der NATO-Mission beteiligten Länder besteht, muss eine sichere Ausreise und Aufnahme auch für weitere stark gefährdete Afghaninnen und Afghanen ermöglicht werden. Deutschland sollte eine EU-Initiative für ein entsprechendes Aufnahmeprogramm unterstützen und zudem mit Aufnahmeprogrammen von Bund und Ländern sowie der Nutzung kommunaler Initiativen mit gutem Beispiel vorangehen.
„Eine gemeinsame und abgestimmte Aktivität von Bund, Ländern und Kommunen ist dabei zentral. Vor allem auf kommunaler Ebene wurden schon viele wertvolle Erfahrungen gesammelt. Die dortigen Verantwortlichen wissen, was ihre Kommune leisten und wie sie die Bevölkerung vor Ort unterstützen kann. So könnte mit passgenauen Matching-Verfahren zwischen Kommunen und Schutzsuchenden die Aufnahme bedarfs- und ressourcengerechter gestaltet werden. Das ist wichtig, um Integration von Beginn an bestmöglich zu fördern,“ so die SVR-Vorsitzende.
Eine zentrale Herausforderung besteht darin, Nachbarländer in der Region, die Schutzbedürftige aufnehmen, durch die internationale Gemeinschaft aktiv und großzügig zu unterstützen. Dies gilt insbesondere für Pakistan und Iran. Dort leben bereits jetzt und teilweise seit vielen Jahren fast 2,2 Millionen registrierte Flüchtlinge sowie zahlreiche weitere Personen aus Afghanistan. Aufgrund prekärer Lebensbedingungen sowie fehlender Zukunftsperspektiven und Rückkehroptionen kann es hier mittel- und langfristig zu erhöhten Wanderungsbewegungen kommen. Entscheidend sei deshalb, so Bendel, dass die benachbarten Aufnahmestaaten bei der Versorgung und Integration der Flüchtlinge unterstützt und entlastet werden. Eine Möglichkeit der Unterstützung sind Migrationspartnerschaften, die die Interessen der Aufnahmestaaten mit aufnehmen.
Ungeachtet der schwierigen Lage in Afghanistan ist es zudem ein humanitäres Gebot, auch für die mehr als 3,5 Millionen Binnenvertriebenen innerhalb des Landes weiterhin humanitäre und darüber hinausgehende Hilfe durch den UNHCR und zivilgesellschaftliche Hilfsorganisationen zu gewährleisten.
„Wir müssen also auf verschiedenen Ebenen ansetzen – in Afghanistan, in den Nachbarländern sowie in Deutschland und Europa, wo wir über die Aufnahme der Ortskräfte hinaus einen eigenen Beitrag leisten müssen, um besonders schutzbedürftige Menschen aus der Region aufzunehmen,“ sagt Bendel.
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Über den Sachverständigenrat
Der Sachverständigenrat für Integration und Migration ist ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Gremium der wissenschaftlichen Politikberatung. Mit seinen Gutachten soll das Gremium zur Urteilsbildung bei allen integrations- und migrationspolitisch verantwortlichen Instanzen sowie der Öffentlichkeit beitragen. Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Petra Bendel (Vorsitzende), Prof. Dr. Daniel Thym (Stellvertretender Vorsitzender), Prof. Dr. Viola B. Georgi, Prof. Dr. Marc Helbling, Prof. Dr. Birgit Leyendecker, Prof. Dr. Steffen Mau, Prof. Panu Poutvaara, Ph.D., Prof. Dr. Sieglinde Rosenberger und Prof. Dr. Hans Vorländer.
Weitere Informationen unter: www.svr-migration.de