Hürden beim Berufseinstieg abbauen – internationale Studierende als Fachkräfte gewinnen
Internationale Studierende an deutschen Hochschulen gelten als ‚Fachkräfte von morgen‘ und als ‚Idealzuwanderer‘. Zwar möchte ein Großteil der internationalen Absolventen in Deutschland bleiben, doch zu viele scheitern am Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt. Mit der Studie des SVR-Forschungsbereichs liegt erstmals eine international vergleichende Analyse der Unterstützungsangebote und -strukturen für die international umworbene Zielgruppe in Deutschland, Kanada, den Niederlanden und Schweden vor. Die Studie identifiziert Hürden beim Übergang vom Studium in den Beruf und gibt Handlungsempfehlungen für Hochschulen, Arbeitgeber, Politik und Verwaltung.
Berlin, 9. Juni 2015. Internationale Studierende an deutschen Hochschulen gelten als ‚Fachkräfte von morgen‘: sie sind nach ihrem Abschluss hoch qualifiziert, verfügen zum Teil über gute Sprachkenntnisse und sind mit dem Land vertraut. Doch es gelingt immer noch nicht ausreichend, diese Hochqualifizierten nach ihrem Abschluss für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen. Dabei wollen mehr als zwei Drittel der internationalen Absolventen gerne erste Arbeitserfahrungen in Deutschland sammeln. Auch die rechtlichen Möglichkeiten für einen Verbleib in Deutschland sind – zumal im europäischen Vergleich – großzügig gestaltet: Internationale Absolventen haben 18 Monate Zeit, eine ihrer Qualifikation entsprechende Stelle zu finden. Viele internationale Studierende scheitern aber bei der Suche nach einem adäquaten Job. „Beim Berufseinstieg stehen internationale Absolventen vor höheren Hürden als einheimische Studierende. Das zeigt sich beispielsweise in einer überdurchschnittlich langen Jobsuche. So sind 30 Prozent der internationalen Absolventen, die in Deutschland bleiben, ein Jahr nach Abschluss noch auf Arbeitssuche“, sagte Dr. Cornelia Schu, Direktorin des SVR-Forschungsbereichs bei der Vorstellung der Studie „Zugangstor Hochschule. Internationale Studierende als Fachkräfte von morgen gewinnen“, die von der Stiftung Mercator und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft gefördert wurde. „Die Hürden, an denen internationale Absolventen beim Berufseinstieg scheitern, sind fehlende berufliche Netzwerke und Erfahrungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, aber auch unzureichende Deutschkenntnisse“, sagte Schu. „Viele benötigen intensive Unterstützung bei der Jobsuche, finden an ihrem Hochschulstandort aber nur lückenhafte Angebote vor, die zudem häufig zu spät einsetzen.“
Die Studie untersucht erstmals international vergleichend die Unterstützungsangebote und -strukturen für den Berufseinstieg internationaler Studierender in Deutschland, Kanada, den Niederlanden und Schweden. „Für jedes zweite Unternehmen in Deutschland sind ausländische Hochschulabsolventen heute schon wichtig, um den eigenen Fachkräftebedarf zu decken“, sagte Dr. Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes. „Und die Nachfrage wird weiter steigen. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen sollten mit geeigneten Maßnahmen schon in der Studienphase Netzwerke zu ausländischen Studierenden aufbauen und Praxisangebote speziell für diese Zielgruppe entwickeln.“ Dr. Felix Streiter, Leiter des Bereichs Wissenschaft der Stiftung Mercator, erklärte: „Deutschland braucht seine internationalen Hochschulabsolventen. Sie gut in die deutsche Gesellschaft und Arbeitswelt zu integrieren, ist eine gemeinsame Aufgabe von Hochschulen, Kommunen und Unternehmen.“
In Deutschland, so die Studie, scheitert ein nachhaltiges Unterstützungsangebot vor allem an der dünnen Personaldecke der Serviceeinrichtungen an den Hochschulen: In Deutschland betreut ein Mitarbeiter des Career Service durchschnittlich etwa 7.300 Studierende. Bei den International Offices ist ein Mitarbeiter im Durchschnitt für etwa 2.100 Studierende zuständig. Eine intensive Betreuung ist so kaum möglich. Kanada und Schweden sind zumindest beim Career Service besser aufgestellt: Kanada hat einen Personalschlüssel von etwa 1 : 3.000, in Schweden liegt er bei etwa 1 : 5.000. Während in den Niederlanden die Angebote der Career Services zu einem sehr frühen Zeitpunkt einsetzen, beginnen sie in Deutschland meist erst zum Ende des Studiums und enden in vier von zehn Fällen deutlich vor dem Ende der 18-monatigen Suchphase.
An der Schnittstelle zwischen Studium und Beruf spielen neben den Hochschulen auch Unternehmen, die kommunale Politik und die Arbeitsagenturen eine Rolle. In Deutschland rekrutieren bislang vor allem Großunternehmen und Forschungseinrichtungen aktiv in dieser international begehrten Zielgruppe. Kleinere Unternehmen nutzen diese Chance der Personalgewinnung – anders als in Kanada – bislang so gut wie gar nicht. Und auch die Großunternehmen sind nach Einschätzung der Hochschulen an jedem zweiten Hochschulstandort wenig oder nicht aktiv. Die kommunale Politik in Deutschland geht zum Teil bereits aktiv auf internationale Absolventen zu: An vier von zehn Hochschulstandorten bestehen Initiativen, um internationale Absolventen in der Region zu halten, vor allem in Kooperation mit den örtlichen Arbeitsagenturen.
Wie die Studie zeigt, gibt es zwar an einzelnen Hochschulstandorten rege Aktivitäten der Beteiligten, doch es fehlt ein kooperatives Übergangsmanagement, d. h. eine systematische Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Arbeitgebern, Ausländerbehörden, Kommunalpolitik und regionalen Mittlerorganisationen. „Um internationalen Absolventen den Einstieg in die Arbeitswelt zu erleichtern, müssen Hochschulen, Unternehmen, Politik und Behörden enger zusammenarbeiten. Wir müssen weg vom Silo-Denken, wo jeder nur seinen Bereich im Blick hat. Was wir brauchen, ist ein regionales Übergangsmanagement, bei dem alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Davon würden auch die einheimischen Absolventen profitieren“, lautete das Fazit von Dr. Cornelia Schu. Als weitere Handlungsempfehlungen nannte sie eine nachhaltige Finanzierung der Unterstützungsangebote an Hochschulen durch Bund und Länder; Hochschulen sollten in die Lage versetzt werden, bedarfsgerechte Angebote dauerhaft bereitzustellen. Politik und Verwaltung sollten Deutschlands absolventenfreundliche Bleiberegelungen aktiv bewerben. Die Kommunen, die in der Regel ein langfristiges Interesse daran haben, die internationalen Studierenden als ‚Fachkräfte von morgen‘ zu binden, sollten im regionalen Übergangsmanagement die Rolle des Koordinators wahrnehmen. Die Zahlen sprechen für sich: Wenn die derzeitige Entwicklung anhält, werden zwischen 2015 und 2020 knapp 240.000 internationale Studierende einen deutschen Abschluss erwerben.
Die Studie und eine Infografik können hier herunterladen werden.
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