SVR zum Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung: Integrations- und migrationspolitische Ansätze in der Regierungspraxis weiterentwickeln
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) empfiehlt, die hiesigen Institutionen und Prozesse im Sinne einer Teilhabepolitik für alle konsequent weiterzuentwickeln. Des Weiteren sollte die Regierung im Rahmen eines Einwanderungsgesetzbuchs bessere Zuwanderungsbedingungen vor allem für beruflich qualifizierte Fachkräfte schaffen. Sehr zu begrüßen ist das Bekenntnis zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem und die beabsichtigte Reform im Geiste der europäischen Integration. Eine flächendeckende Asylverfahrensberatung und eine Beschleunigung von Asylverfahren sind wichtige Schritte; bei den beabsichtigten neuen Aufnahmezentren muss gewährleistet werden, dass sie Integrationsbemühungen nicht konterkarieren.
Berlin, 08. März 2018. In der kommenden Woche wird voraussichtlich Dr. Angela Merkel erneut zur Bundeskanzlerin gewählt und die neue Regierung ihre Arbeit aufnehmen. Der SVR begrüßt einige der im Koalitionsvertrag formulierten Pläne der künftigen Regierung, sieht aber auch kritische Aspekte.
„Leitmotiv deutscher Integrationspolitik muss es sein, die gesellschaftliche Teilhabe aller zu stärken“, so der SVR-Vorsitzende Prof. Dr. Thomas Bauer. Deshalb empfiehlt der SVR ein integrationspolitisches Mainstreaming in dem Sinne, dass staatliche Regelstrukturen möglichst für alle ertüchtigt werden. Zu begrüßen sind daher entsprechende Ansätze in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt, Wohnen und Gesundheit: Der angekündigte Ausbau und die Qualitätsverbesserung von Kinderbetreuung und Schulunterricht ist im Sinne einer chancengleichen Teilhabe und daher bildungs- wie integrationspolitisch sinnvoll. Auch die geplante Wohnraumoffensive, die den sozialen Wohnungsbau einschließt, wie die geplanten Maßnahmen zur Aktivierung von Langzeitarbeitslosen sind hier zu nennen. Eine solche Teilhabepolitik für alle gilt es konsequent auszubauen. „Auch die geplante Stärkung der Migrations- und Integrationsforschung und ein intensiviertes Integrationsmonitoring sind wichtige Schritte in die richtige Richtung“, so Thomas Bauer. „Kulturelle Vielfalt ist in Deutschland längst der Normalfall: Mehr als jede fünfte Person hat einen Migrationshintergrund. Zuwanderinnen und Zuwanderer gestalten unser Land mit – das ist keine neue Realität. Dieser Beitrag sollte gewürdigt werden, ohne etwa bestehende Probleme auszublenden. Das kann auch dazu beitragen, einer stark auf Migrationsherausforderungen konzentrierten öffentlichen Debatte Gestaltungszuversicht entgegenzusetzen. Diese Zuversicht zu vermitteln wird eine wichtige Aufgabe der Politik in der kommenden Legislaturperiode sein.“
Der SVR begrüßt die Absicht der künftigen Regierung, ein Fachkräftezuwanderungsgesetz zu schaffen und dabei auch bessere Zuwanderungsoptionen für beruflich qualifizierte Fachkräfte bzw. Personen mit ausgeprägter berufspraktischer Erfahrung zu implementieren. „Wir plädieren allerdings dafür, dies in dem größeren Rahmen eines Einwanderungsgesetzbuchs zu tun“, erklärt Prof. Bauer. Der SVR hat dazu im vergangenen Oktober ein Positionspapier zur „Neuordnung der Einwanderungspolitik“ vorgelegt.
Der SVR begrüßt das uneingeschränkte Bekenntnis zu den bestehenden rechtlichen und humanitären Verpflichtungen, sowie zur Entwicklungskooperation und zur Einrichtung einer Kommission „Fluchtursachen“. Auch das Bekenntnis zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem sowie das Ziel einer Reform im Geiste der Europäischen Integration im Schulterschluss mit Frankreich und anderen Mitgliedsstaaten der Union sind wichtige Signale Richtung Europa.
In der nationalen Flüchtlingspolitik ist der Versuch einer Ausbalancierung von integrations- und ordnungspolitischen Interessen erkennbar, es gibt aber auch deutlichen Justierungsbedarf. „Positiv bewerten wir die Ambitionen der künftigen Regierung, Asylverfahrensberatung künftig flächendeckend vorzuhalten und die Verfahren schneller und effizienter zu gestalten“, so Thomas Bauer. „Bei den beabsichtigten neuen Aufnahmezentren (ANkER) bleiben indes Fragen offen – insbesondere sollten Integrationsbemühungen von Personen, bei denen ein längerer Inlandsaufenthalt rechtlich oder faktisch zu erwarten ist, nicht konterkariert werden“, gibt Prof. Bauer zu bedenken.
Die detaillierte Stellungnahme des SVR zu den migrations- und integrationspolitischen Einzelheiten des Koalitionsvertrags finden Sie hier.
Die Pressemitteilung steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.
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Dr. Margret Karsch
Kommunikation SVR GmbH
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Über den Sachverständigenrat
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration geht auf eine Initiative der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung zurück. Ihr gehören sieben Stiftungen an. Neben der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung sind dies: Bertelsmann Stiftung, Freudenberg Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stifterverband und Vodafone Stiftung Deutschland. Der Sachverständigenrat ist ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Expertengremium, das zu integrations- und migrationspolitischen Themen Stellung bezieht und handlungsorientierte Politikberatung anbietet. Die Ergebnisse seiner Arbeit werden in einem Jahresgutachten veröffentlicht.
Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Thomas K. Bauer (Vorsitzender), Prof. Dr. Hacı Halil Uslucan (Stellvertretender Vorsitzender), Prof. Dr. Petra Bendel, Prof. Dr. Claudia Diehl, Prof. Dr. Viola B. Georgi, Prof. Dr. Christian Joppke, Prof. Dr. Sieglinde Rosenberger, Prof. Dr. Daniel Thym und Prof. Dr. Hans Vorländer.