Altern in Vielfalt: unterschiedliche Pflegebedürfnisse berücksichtigen
Die Einwanderungsgesellschaft altert. Das stellt Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen vor die Herausforderung, der zunehmenden Vielfalt in der Gesellschaft gerecht zu werden. Das aktuelle SVR-Integrationsbarometer untersucht die Pflegepräferenzen von Menschen verschiedener Herkunftsgruppen in Deutschland. Die Analyse des SVR-Forschungsbereichs zeigt: Pflegeeinrichtungen sind auf die zunehmend vielfältigen Pflegebedürfnisse bislang kaum eingestellt.
Berlin, 17. November 2015. Auch die Zuwandererbevölkerung altert: Die ‚Gastarbeitergeneration‘ kommt nach und nach in ein Alter, in dem Pflege für viele eine Rolle spielt. Nach Schätzungen wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen mit Migrationshintergrund von 258.000 im Jahr 2013 bis 2030 auf 481.000 nahezu verdoppeln. Die heterogene Bevölkerung in Deutschland hat verschiedene Erwartungen an Pflege. Auf diese unterschiedlichen Bedürfnisse sollte eingegangen werden.
„In der Alten- und der Palliativpflege geht es um humanes Altern und Sterben. Hier haben Menschen unterschiedlicher Herkunft zum Teil auch unterschiedliche Bedürfnisse“, sagte Dr. Cornelia Schu, Direktorin des SVR-Forschungsbereichs, anlässlich der Veröffentlichung des Policy Briefs „In Vielfalt altern. Pflege und Pflegepräferenzen im Einwanderungsland Deutschland“. Die Untersuchung, die von der Stiftung Mercator gefördert wurde, präsentiert Ergebnisse des SVR-Integrationsbarometers und ordnet sie in den Stand der Forschung ein. Dabei berücksichtigt sie die Ergebnisse einer von Wissenschaftlern der Universität Bielefeld erstellten Expertise, die die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Integration und Flüchtlinge in Auftrag gegeben hat.
Das SVR-Integrationsbarometer zeigt: Grundsätzlich unterscheiden sich die Pflegeerwartungen von Menschen mit und solchen ohne Zuwanderungsgeschichte nicht gravierend, es gibt allerdings Aspekte, die in einer kultursensiblen Pflege Berücksichtigung finden sollten. Ein Viertel der Spät-/Aussiedler (25 %) und die Hälfte der Türkeistämmigen (51 %), die nicht Deutsch als Muttersprache haben, finden es wichtig, dass die Pflegekraft die jeweilige Muttersprache spricht. Der kulturelle Hintergrund und auch die Religion der Pflegekraft sind den meisten Befragten eher unwichtig. Allerdings wünschen sich dreimal so viele Muslime eine Pflegekraft mit der gleichen Religionszugehörigkeit wie christliche Befragte (27 % bzw. 9 %). Frauen aller Herkunftsgruppen wünschen sich deutlich häufiger als Männer eine gleichgeschlechtliche Pflegekraft. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede werden noch deutlicher, wenn man die Religionszugehörigkeit betrachtet. Rund 74 Prozent der muslimischen Frauen möchten von einer Frau gepflegt werden, bei den christlichen Frauen sind es 51 Prozent und bei denen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, sind es 33 Prozent.
Wohlfahrtsverbände, Krankenhausträger und Ausbildungsstätten beschäftigen sich seit Jahren mit der Frage, wie in deutschen Einrichtungen kultursensibel gepflegt werden kann, d. h. so, dass es den individuellen Pflegebedürfnissen aller Patienten gerecht wird. „Breit verankert sind solche Ansätze allerdings noch nicht“, sagte Dr. Schu. Wie das Integrationsbarometer zeigt, verlaufen die unterschiedlichen Pflegeerwartungen häufig entlang der religiösen Zugehörigkeit. „Daher sollten im Standardkatalog kultursensibler Angebote die besonderen Wünsche von Muslimen stärker berücksichtigt werden, oder entsprechende Spezialangebote ausgebaut werden“, sagte Dr. Schu.
Der Policy Brief kann hier heruntergeladen werden.
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