EU-Asylpolitik: Faire kollektive Aufnahmeverfahren nötig
An den Außengrenzen der EU sind in diesem Jahr so viele Flüchtlinge wie nie zuvor ums Leben gekommen. Gleichzeitig ist die Zahl der Asylbewerber stark gestiegen – und sie steigt weiter. Die Asylsysteme vieler EU-Staaten stehen unter Druck. Kollektive Aufnahmeverfahren können für Entlastung sorgen. SVR-Forschungsbereich und Stiftung Wissenschaft und Politik schlagen EU-Kontingente für Resettlement und temporäre Aufnahme vor. Die Bestimmung von Quoten auf der Basis eines Mehrfaktorenmodells ermöglicht eine faire und solidarische Verteilung auf die EU-Mitgliedstaaten.
Berlin, 12. Mai 2015. In einer gemeinsam mit Steffen Angenendt, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), veröffentlichten Kurzinformation schlägt der SVR-Forschungsbereich vor, Flüchtlinge aus Ländern wie Syrien, Eritrea und Somalia, die im Asylverfahren sehr häufig anerkannt werden, kollektiv in der Europäischen Union aufzunehmen. Dies würde den Flüchtlingen die lebensgefährlichen illegalen Zuwanderungswege ersparen, da sie über europäische Aufnahmekontingente direkt aus dem Ausland aufgenommen werden. Dieser Vorschlag für einen Einstieg in eine solidarische Verantwortungsteilung ist als Beitrag zur Debatte um die für morgen angekündigte Agenda für Migration der Europäischen Kommission zu verstehen.
Zwei Optionen der kollektiven Aufnahme von Flüchtlingen stehen zur Verfügung: die dauerhafte Niederlassung (Resettlement) und die vorübergehende Aufnahme. Beim Resettlement wird einer bestimmten Zahl von Flüchtlingen, die bereits in Drittstaaten als solche anerkannt sind, die dauerhafte Niederlassung (Neuansiedlung) ermöglicht. Temporäre Aufnahmeprogramme sollen in akuten humanitären Krisen, wie z. B. derzeit in Syrien, einer großen Zahl von Vertriebenen vorübergehend Schutz bieten. „Europa muss eine solidarische Antwort auf das Flüchtlingselend geben, indem sich alle EU-Staaten an der Aufnahme beteiligen“, sagte Dr. Jan Schneider, Leiter des SVR-Forschungsbereichs. Die Autoren plädieren für ein faires System der Verantwortungsteilung nach einem Schlüssel, der Wirtschaftskraft, Einwohnerzahl, Größe und Arbeitslosenquote der EU-Mitgliedstaaten berücksichtigt.
In der Kurzinformation werden die Verteilungswirkungen für ein fiktives Kontingent von 10.000 Flüchtlingen berechnet. Der ganz überwiegende Teil der Mitgliedstaaten hätte dabei weniger als 300 Flüchtlinge aufzunehmen, ein Drittel sogar weniger als 100. Neben Deutschland würden nur auf drei der größten EU-Länder jeweils knapp über 1.000 Personen entfallen. „Überschaubare Kontingente sind für einen Einstieg in die faire Verantwortungsteilung eine realistische Option, um auch die Unterstützung jener Mitgliedstaaten zu gewinnen, die bislang jede Verbindlichkeit bei der Flüchtlingsaufnahme ablehnen“, sagte Dr. Steffen Angenendt, Research Associate der Forschungsgruppe Globale Fragen bei der SWP. Gleichzeitig weisen die Autoren darauf hin, dass kollektive Aufnahmeverfahren nicht als Ersatz für das individuelle Recht auf Asyl dienen dürften, sondern lediglich als Entlastungsmechanismus für offensichtliche Fälle.
Die Kurzinformation kann hier herunterladen werden.
Das Pressestatement steht hier zum Download zur Verfügung.
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