Was Flüchtlingen wirklich wichtig ist
Flüchtlingen sind echte soziale Kontakte zur Bevölkerung in Deutschland wichtig. Sie wünschen sich ein intaktes Sozialleben und stabile persönliche Beziehungen. Das zeigen erste Ergebnisse einer gemeinsamen Studie von SVR-Forschungsbereich und Robert Bosch Stiftung. Das Besondere der Befragung: die Flüchtlinge können zu Beginn der qualitativen Interviews von sich aus Themen ansprechen, die ihnen wichtig sind. Häufig genannt wird der Wunsch, Deutsch zu lernen und Arbeit zu finden. Als belastend erleben die Flüchtlinge Hürden beim Familiennachzug.
Berlin, 24. Januar 2017. Welche Themen sprechen Flüchtlinge von sich aus an, wenn sie gefragt werden, wie es ihnen in Deutschland bisher ergangen ist? Wie ist die Lebenssituation von Asylsuchenden, die noch keinen gesicherten Aufenthaltsstatus haben? Eine umfassende Studie von SVR-Forschungsbereich und Robert Bosch Stiftung untersucht derzeit die Lebenslagen von Flüchtlingen und rückt damit deren Perspektive in den Mittelpunkt. Für die vorliegende Kurzinformation wurden erste Ergebnisse aus dem offenen Interviewteil der Gespräche mit Asylsuchenden ausgewertet, in denen sie Themen ansprechen können, die ihnen wichtig sind. Dieser offene Interviewteil ist eines der Alleinstellungsmerkmale der Untersuchung.
Die ersten Ergebnisse zeigen: Der Wunsch nach echten sozialen Kontakten ist stark ausgeprägt. Dr. Cornelia Schu, Direktorin des Forschungsbereichs beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration, sagte: „So dankbar die Flüchtlinge für die Unterstützung durch Sozialarbeiter und Ehrenamtliche sind, so wenig können unterstützende Kontakte echte Freundschaften ersetzen. Die Flüchtlinge wünschen sich, dass sich echte und stabile persönliche Beziehungen entwickeln.“ Der Wunsch der Asylsuchenden nach privaten Kontakten stehe aber naturgemäß in einem gewissen Spannungsverhältnis zu der professionellen Distanz, die hauptamtliche Betreuer und auch ehrenamtliche Helfer wahren müssen. Dies sei ein Aspekt, der bislang unterschätzt werde. Uta-Micaela Dürig, Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung, sieht hier eine Aufgabe für die Zivilgesellschaft: „Der Beitrag, den die vielen Ehrenamtlichen leisten, die Flüchtlingen mit Rat und Tat zur Seite stehen, kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. Wir sollten aber nicht vergessen, dass die Einladung zum gemeinsamen Sport oder zum Singen im Chor, zur Mitarbeit in einer Nachbarschaftsinitiative ebenfalls ein wichtiges Signal an die Neuankömmlinge sendet, dass ihre Mitwirkung willkommen ist – der erste Schritt zum gegenseitigen persönlichen Kennenlernen.“
Weitere Themen, die Flüchtlinge häufig von sich aus ansprechen, sind der Wunsch, Deutsch zu lernen und Arbeit zu finden. Nahezu alle befragten Flüchtlinge wollen sehr gerne arbeiten oder sich weiter qualifizieren. Als sehr belastend wird die Trennung von Familienmitgliedern empfunden, die im Heimat- oder einem Transferland zurückgeblieben sind, und die Einschränkung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte. Ein weiterer belastender Faktor ist die Ungewissheit über den Ausgang des Asylverfahrens. Hierzu kommt das Gefühl, zu wenig und zu wenig verständliche Informationen über den Stand des Asylverfahrens oder andere Anliegen (wie z. B. Verbesserung der Wohnsituation) zu erhalten. Dies zeigt, welche wichtige Rolle Dolmetscher bzw. ehrenamtliche Sprachmittler spielen.
Für die Kurzinformation wurden 21 Interviews mit Flüchtlingen unterschiedlicher Herkunftsländer ausgewertet; das entspricht etwa einem Drittel der Interviews, die für die Studie geführt werden. Ziel des Forschungsprojektes ist eine wissenschaftlich fundierte Beschreibung der aktuellen Lebenslage von Flüchtlingen in Deutschland aus der Perspektive der Betroffenen selbst. Die Befragung gibt Aufschluss darüber, welche Bedarfe und Erwartungen die Betroffenen haben, welche Fähigkeiten sie mitbringen und wie sie ihre aktuelle Lebenslage wahrnehmen. Der Fokus der Studie liegt auf Personen mit unsicherem Aufenthaltsstatus in einem frühen Stadium ihres Aufenthalts in Deutschland. Aus den Erkenntnissen sollen Handlungsempfehlungen für eine verbesserte Aufnahme und Integration von Flüchtlingen entwickelt werden. Die vollständige Studie wird im November 2017 veröffentlicht.
Die Kurzinformation und eine Infografik können Sie hier herunterladen.
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Über den Forschungsbereich beim Sachverständigenrat
Der Forschungsbereich beim Sachverständigenrat führt eigenständige, anwendungsorientierte Forschungsprojekte zu den Themenbereichen Integration und Migration durch. Die projektbasierten Studien widmen sich neu aufkommenden Entwicklungen und Fragestellungen. Schwerpunkte der Forschungsvorhaben sind die Themenfelder Bildung und Flucht/Asyl. Der SVR-Forschungsbereich ergänzt die Arbeit des Sachverständigenrats. Die Grundfinanzierung wird von der Stiftung Mercator getragen.
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration geht auf eine Initiative der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung zurück. Ihr gehören weitere fünf Stiftungen an: Bertelsmann Stiftung, Freudenberg Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und Vodafone Stiftung Deutschland. Der Sachverständigenrat ist ein unabhängiges und gemeinnütziges Beobachtungs-, Bewertungs- und Beratungsgremium, das zu integrations- und migrationspolitischen Themen Stellung bezieht und handlungsorientierte Politikberatung anbietet.
Über die Robert Bosch Stiftung
Die Robert Bosch Stiftung gehört zu den großen, unternehmensverbundenen Stiftungen in Europa.
In ihrer gemeinnützigen Arbeit greift sie gesellschaftliche Themen frühzeitig auf und erarbeitet exemplarische Lösungen. Dazu entwickelt sie eigene Projekte und führt sie durch. Außerdem fördert sie Initiativen Dritter, die zu ihren Zielen passen.
Die Robert Bosch Stiftung ist auf den Gebieten Gesundheit, Wissenschaft, Gesellschaft, Bildung und Völkerverständigung tätig. In den kommenden Jahren wird sie darüber hinaus ihre Aktivitäten verstärkt auf drei Schwerpunkte ausrichten:
– Migration, Integration und Teilhabe
– Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Deutschland und Europa
– Zukunftsfähige Lebensräume
Seit ihrer Gründung 1964 hat die Robert Bosch Stiftung mehr als 1,4 Milliarden Euro für ihre gemeinnützige Arbeit ausgegeben.
Weitere Informationen unter: www.bosch-stiftung.de/fluchtundasyl