Notfallmechanismus für aus Seenot Gerettete: wichtiger Schritt zu mehr europäischer Solidarität in der Flüchtlingspolitik
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) begrüßt, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine politische Einigung für die Verteilung aus Seenot Geretteter anstreben. Er empfiehlt, den Amtsantritt der neuen Europäischen Kommission zu nutzen, um endlich einen solidarischen, verlässlichen und dauerhaften Verteilungsmechanismus zu etablieren, der das Herzstück der überfälligen Reform des europäischen Asylsystems sein könnte.
Berlin, 7. Oktober 2019. Heute und morgen treffen sich die Justiz- und Innenministerinnen und -minister der EU, um sich mit einer „Koalition der Willigen“ auf einen vorübergehenden Notfallmechanismus für aus Seenot gerettete Schutzsuchende zu einigen. Seit Langem ist bekannt, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem einen Konstruktionsfehler hat: Es fehlt ein Mechanismus, der die Verantwortung für die Flüchtlingsaufnahme gerecht auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt. Gleichwohl ist es der Europäischen Union bisher nicht gelungen, diese zentrale Schwäche zu beheben. Zu unterschiedlich waren die Interessen der Mitgliedstaaten. Nun scheint sich ein Fenster für neue Lösungen zu öffnen. Anlass ist der immer lauter geführte Streit um die Aufnahme von solchen Asylsuchenden, die im Mittelmeer von privaten Schiffen aus Seenot gerettet werden. Die Mitgliedstaaten, deren Häfen für eine Aufnahme in Frage kamen, weigerten sich regelmäßig, die Schiffe anlanden zu lassen, solange andere Mitgliedstaaten nicht zusagten, sich an der Aufnahme der geretteten Migrantinnen und Migranten zu beteiligen.
„Diese den Menschenrechtsstandards der EU nicht angemessene Situation könnte nun ein Ende haben“, unterstreicht Prof. Dr. Petra Bendel, die Vorsitzende des SVR, die Bedeutung einer europäischen Einigung. Die Innenminister Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Maltas haben am 22. September 2019 eine bereits drei Jahre anhaltende Verhandlungsblockade um die Verteilung von geretteten Schutzsuchenden aufgebrochen: Das zunächst auf mindestens sechs Monate befristete Pilotprojekt einer „Koalition der Aufnahmewilligen“ für die aus Seenot Geretteten sieht vor, Schutzsuchende gemäß internationalem Seerecht innerhalb von höchstens vier Wochen zu retten und an einen sicheren Ort zu bringen bzw. zurückzuführen, ohne dass damit neue Anreize für irreguläre Migration geschaffen werden.
„Das Pilotprojekt, das heute und morgen in der Sitzung des Rats „Justiz und Inneres“ konkretisiert werden soll, wäre ein erster Schritt hin zu einer dauerhaft verlässlichen Lösung der EU-Seenotrettung“, so Prof. Bendel. „Diese ist ein Baustein der überfälligen Reform des Dublin-Systems und der Schutzstandards des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Die neue Europäische Kommission sollte die Gelegenheit nutzen und mit den Mitgliedstaaten nach solidarischen Lösungen suchen.“
Die Pressemitteilung steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.
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Über den Sachverständigenrat
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration geht auf eine Initiative der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung zurück. Ihr gehören sieben Stiftungen an. Neben der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung sind dies: Bertelsmann Stiftung, Freudenberg Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stifterverband und Vodafone Stiftung Deutschland. Der Sachverständigenrat ist ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Expertengremium, das zu integrations- und migrationspolitischen Themen Stellung bezieht und handlungsorientierte Politikberatung anbietet. Die Ergebnisse seiner Arbeit werden in einem Jahresgutachten veröffentlicht. Das SVR-Jahresgutachten 2020 wird gefördert durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.
Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Petra Bendel (Vorsitzende), Prof. Dr. Daniel Thym (Stellvertretender Vorsitzender), Prof. Dr. Claudia Diehl, Prof. Dr. Viola B. Georgi, Prof. Dr. Christian Joppke, Prof. Dr. Birgit Leyendecker, Prof. Panu Poutvaara, Ph.D., Prof. Dr. Sieglinde Rosenberger und Prof. Dr. Hans Vorländer.