Sachverständigenrat begrüßt ‘Integrationsindikatorenbericht’ der Bundesregierung
Bericht ist „großer Schritt voran“, beobachtet aber noch zu sehr „Migranten im Hamsterrad“. Indikatoren müssen reduziert sowie um schichtspezifische und weiche Faktoren ergänzt werden.
Berlin, 15. Juni 2009. Der Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), Prof. Dr. Klaus J. Bade, begrüßte den in den Medien umstrittenen ‘Integrationsindikatorenbericht’ der Bundesregierung. Er wird durch Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer in Berlin im Rahmen einer EU-Tagung am 15. und 16. Juni 2009 präsentiert, wurde aber schon in der vorausgegangenen Woche der Presse vorgestellt. „Mit diesem neuen Instrument können künftig Entwicklungen im Integrationsgeschehen über längere Zeit entschieden besser bewertet werden“, erklärte Bade. Die einheitliche Indikatorenliste sei „zwar noch zu umfangreich, aber auf der Bundesebene ein großer Schritt voran.“ Hier könne Integrationsförderung als Partizipationsförderung gezielt und im Erfolg messbar ansetzen.
In der öffentlichen Diskussion gebe es, so Bade, ein Missverständnis: Der unter der Schlagzeile ‘Integration in Deutschland‘ vorgestellte ‘Integrationsindikatorenbericht‘ sei kein Integrationsbericht, wie ihn die Integrationsbeauftragte alle zwei Jahre vorlege. Er präsentiere vielmehr die neu entwickelten Integrationsindikatoren, die zunächst in einem Feldversuch auf ihre Tragfähigkeit getestet worden seien. Wenn also in der deutschen Presse wieder die „Keule der gescheiterten Integration bedient“ und in der türkischen Presse über einen „Katastrophenbericht“ geklagt werde, liege ein Missverständnis vor. Bade verteidigte damit die Initiative der Integrationsbeauftragten, sparte aber nicht mit kritischen Anregungen, auch an die Adresse der amtlichen Statistik:
Als ‘Integrationsmesslatte’ bei der Indikatorenbewertung sei der angewandte allgemeine Querschnitt der deutschen Bevölkerung zu grob. Zuwanderer stammten z.B. häufig aus unteren Schichten. Die Integrationsergebnisse hätten deshalb jeweils im Vergleich zu entsprechenden Schichten der deutschen Bevölkerung bewertet werden müssen. Dies werde im Bericht zwar erkannt, aber nicht konsequent genug umgesetzt. Ähnliches gelte für das Verhältnis von Straffälligkeit und Altersstruktur bei der demographisch jüngeren Zuwandererbevölkerung. Dazu aber fehle es oft auch an „zureichend differenzierten amtlichen Daten, die einer Einwanderungsgesellschaft würdig sind“, in der der soziale Friede entscheidend abhänge vom Gelingen der Integration. Erst auf einer solchen Datengrundlage könnten Integrationsindikatoren zureichend greifen.
Kernproblem der bisherigen Indikatorensets sei, dass „nur das Anpassungsverhalten der Zuwandererbevölkerung gemessen“ werde. Migranten würden, so Bade, „wie Hamster in eine Lauftrommel auf dem Tisch gesteckt“. Dann prüfe man, ob sie sich in dem von der Mehrheitsbevölkerung als wünschenswert erachteten Takt bewegen. Die Mehrheitsbevölkerung aber sitze scheinbar unbewegt und neutral auf Beobachterposten, obgleich sie sich selbst unter dem Einfluss von Integration ständig verändere. Deshalb müssten auch Indikatoren zum Messen der Integrationsbereitschaft der Mehrheitsbevölkerung entwickelt werden.
Bei der Vielzahl der Indikatoren fehlten außerdem, so Bade, „auf eigene Beobachtung gestützte Einschätzungen des Integrationsgeschehens“. Diese weichen Faktoren wirkten auf beiden Seiten der Einwanderungsgesellschaft auf die Bereitschaft zurück, „in Integration zu investieren“ und sie auf diese Weise im eigenen Umfeld zu fördern. Der SVR arbeitet an einem diese weichen Faktoren einschließenden und beide Seiten der Einwanderungsgesellschaft erfassenden ‘Integrationsbarometer‘. Der aus einer Repräsentativbefragung hervorgehende Integrationsklima-Index wird in das Jahresgutachten des Sachverständigenrates einfließen und zusammen mit ihm im Frühjahr 2010 vorgestellt werden.
Eine erweiterte Fassung dieser Presseerklärung finden Sie hier:
090615-svr-pm-indikatoren_lang
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Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Klaus J. Bade (Vorsitzender), Prof. Dr. Ursula Neumann (Stellv. Vorsitzende) sowie Prof. Dr. Michael Bommes, Prof. Dr. Heinz Faßmann, Prof. Dr. Yasemin Karakasoğlu, Prof. Dr. Christine Langenfeld, Prof. Dr. Werner Schiffauer, Prof. Dr. Thomas Straubhaar und Prof. Dr. Steven Vertovec.
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