SVR: Deutschland sollte Motor einer Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sein und internationale Zusammenarbeit vorantreiben
Im Jahr 2018 stehen auf europäischer Ebene Verhandlungen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) auf der Agenda, und auf internationaler Ebene wird über einen gemeinsamen Rahmen für den globalen Flüchtlingsschutz diskutiert. Der SVR bekräftigt die Bedeutung dieser Verhandlungen und ermuntert die Bundesregierung, eine zentrale Rolle als Motor und Mitgestalterin einer verantwortlichen europäischen und globalen Flüchtlingspolitik zu spielen. Deren Ziel sollte es sein, die Menschenrechte zu wahren, reguläre Migration weitgehend zu ermöglichen und irreguläre und erzwungene Migration unnötig zu machen.
Berlin, 22. März 2018. Heute und morgen tagt der Europäische Rat in Brüssel. Auf der Agenda des Treffens steht u. a. die laufende Arbeit an der GEAS-Reform. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD bekräftigen die Parteien ihr Engagement für das GEAS und plädieren dafür, die Verantwortung in der Flüchtlingspolitik solidarisch zu teilen. Der SVR analysiert in seinem Positionspapier „Deutschland als Motor der GEAS-Reform? Migrationspolitische Ansprüche an eine global denkende Bundesregierung“ den fehlenden Lastenausgleich im GEAS, die uneinheitliche Asyl-Entscheidungspraxis in Europa und weitere Thematiken im Bereich der internationalen Flüchtlingspolitik. Außerdem macht der SVR Vorschläge zur Reform des GEAS und zu einer gestärkten Rolle Deutschlands in den laufenden Verhandlungen zur Flüchtlings- und Migrationspolitik auf europäischer wie internationaler Ebene.
Bislang sieht die Dublin-Verordnung vor, dass in der Regel das Land, das ein Flüchtling von außerhalb der Europäischen Union zuerst erreicht, für dessen Aufnahme und Asylverfahren zuständig ist. Bei hohen Flüchtlingszahlen ist das problematisch: Staaten wie etwa Italien oder Griechenland, die an den EU-Außengrenzen liegen, sind seit vielen Jahren überfordert. Die EU-Verträge sehen zwar eine gemeinsame Asylpolitik vor, die „sich auf die Solidarität der Mitgliedsstaaten gründet“, wie es im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union heißt, und die Verantwortung gerecht verteilt, aber noch ist keine Einigung auf ein entsprechendes Regelwerk gelungen.
„Um die Last gerecht zu verteilen, könnte man die Dublin-Verordnung um einen korrigierenden Solidaritätsmechanismus ergänzen“, schlägt der SVR-Vorsitzende Prof. Dr. Thomas Bauer vor. „Gleichzeitig könnte man anerkannten Flüchtlingen das Recht zugestehen, unter bestimmten Bedingungen im EU-Raum weiterzuwandern – etwa, wenn sie einen Arbeitsplatz in einem anderen Land finden konnten.“
Neben dem fehlenden Ausgleichsmechanismus besteht ein weiteres Problem darin, dass die Ergebnisse der Asylverfahren, für die die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zuständig sind, stark voneinander abweichen. Deshalb sollte die Verantwortung der nationalen Asylbehörden langfristig an eine supranationale Institution übergehen. Das ist rechtlich allerdings sehr aufwändig – helfen könnte als Zwischenschritt, das europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen („European Asylum Support Office“, EASO) finanziell und administrativ zu reformieren. „Deutschland sollte sich dafür einsetzen, dass die bereits weit fortgeschrittenen Verhandlungen zu einer Reform des EASO zügig abgeschlossen werden. Eine europaweit einheitliche Asylentscheidungspraxis ist ein wichtiger Schritt und eine zentrale Voraussetzung für die angestrebte Lasten- und Verantwortungsteilung in Europa“, so Prof. Dr. Bauer. „Denn wenn diese Entscheidungsprozesse nicht einheitlichen Kriterien folgen, bleibt für Antragsteller und Antragstellerinnen einer der zentralen Anreize bestehen, weiterzuziehen und in einem anderen Land Asyl zu beantragen.“
Es liegt auf der Hand, dass es die beste Lösung wäre, wenn weniger Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssten. „Entsprechend sollte die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag postulierte Strategie, Fluchtursachen zu bekämpfen und nicht Flüchtlinge, konsequent verfolgen“, unterstreicht der SVR-Vorsitzende. „Es ist dringend geboten, ressortübergreifende Ansätze zu verfolgen und Entwicklungs-, Außen-, Handels- und Wirtschaftspolitik auf nationaler und internationaler Ebene aufeinander abzustimmen.“
Darüber hinaus können verschiedene Maßnahmen dazu beitragen, dass das territoriale Asyl entlastet wird. Hier sind neben Überlegungen zur Externalisierung von Flüchtlingsschutz beispielsweise Resettlement-Programme zu nennen. „Doch solange die Kontingente klein sind und die Ressourcen dafür knapp, ist Resettlement kein besonders wirksamer Baustein. Deutschland könnte hier mutig voranschreiten und entsprechende Aufnahmeprogramme national – unter Umständen unter finanzieller Beteiligung privater Akteure – etablieren und für ein europäisches Konzept eintreten, das nachhaltig wirkt“, rät Prof. Dr. Bauer.
Das Positionspapier des SVR „Deutschland als Motor der GEAS-Reform? Migrationspolitische Ansprüche an eine global denkende Bundesregierung“ finden Sie hier.
Die Pressemitteilung steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.
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Dr. Margret Karsch
Kommunikation SVR GmbH
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Über den Sachverständigenrat
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration geht auf eine Initiative der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung zurück. Ihr gehören sieben Stiftungen an. Neben der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung sind dies: Bertelsmann Stiftung, Freudenberg Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stifterverband und Vodafone Stiftung Deutschland. Der Sachverständigenrat ist ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Expertengremium, das zu integrations- und migrationspolitischen Themen Stellung bezieht und handlungsorientierte Politikberatung anbietet. Die Ergebnisse seiner Arbeit werden in einem Jahresgutachten veröffentlicht.
Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Thomas K. Bauer (Vorsitzender), Prof. Dr. Hacı Halil Uslucan (Stellvertretender Vorsitzender), Prof. Dr. Petra Bendel, Prof. Dr. Claudia Diehl, Prof. Dr. Viola B. Georgi, Prof. Dr. Christian Joppke, Prof. Dr. Sieglinde Rosenberger, Prof. Dr. Daniel Thym und Prof. Dr. Hans Vorländer.