SVR: „Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung“ erhöht die Rechtssicherheit und belohnt Integrationsengagement
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) begrüßt die Präzisierungen im Bereich der Ausbildungsduldung, die mehr Rechtssicherheit für Unternehmen und die betroffenen Personen schaffen sollen. Die neue Option einer Beschäftigungsduldung eröffnet eigentlich ausreisepflichtigen, gut integrierten Personen und ihrer Kernfamilie eine Bleibeperspektive und belohnt so eine erfolgreiche Integration.
Berlin, 29. März 2019. Der Gesetzesentwurf versucht, einen Interessenskonflikt zu lösen: Grundsätzlich ist sicherzustellen, dass Personen, die keinen Aufenthaltstitel haben, in ihre Herkunftsländer oder Drittstaaten zurückkehren. Dies gilt auch für Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Allerdings werden viele ausreisepflichtige Personen aus tatsächlichen, rechtlichen, dringenden humanitären oder persönlichen Gründen nicht zurückgeführt und erhalten deshalb eine Duldung. Je länger sie hier sind, desto gewichtiger werden Aspekte der Integrationsförderung.
Der Gesetzgeber reagiert nun auf diesen Umstand und schafft mit der Beschäftigungsduldung eine neue Bleibemöglichkeit für diejenigen, die gewisse Integrationsleistungen erbrachten haben und für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. Diese Gruppe soll dem Gesetzentwurf zufolge nun einen Rechtsanspruch auf eine Beschäftigungsduldung für 30 Monate erhalten und anschließend die Option, einen Aufenthaltstitel zu erlangen – und damit mittelfristig die Option, dauerhaft bleiben zu können. Das gilt sowohl für die ausreisepflichtige Person wie für ihre Ehepartnerin bzw. ihren Ehepartner. Voraussetzungen für eine Beschäftigungsduldung sind, dass die betreffende Person seit mindestens zwölf Monaten geduldet ist, ihre Identität geklärt ist, sie seit mindestens 18 Monaten in einem Arbeitsverhältnis mit mindestens 20 (in der Regel 35) Arbeitsstunden pro Woche steht und ihr Lebensunterhalt gesichert ist; außerdem muss sie straffrei sein und hinreichende mündliche deutsche Sprachkenntnisse besitzen.
Der SVR-Vorsitzende Prof. Bauer begrüßt die neue Beschäftigungsduldung: „Den berechtigten ordnungspolitischen Interessen wird dadurch Rechnung getragen, dass eine Beschäftigungsduldung erst nach zwölf Monaten, in denen die Abschiebung ausgesetzt ist, erteilt werden kann. Die Anforderungen an die erbrachten Integrationsleistungen sind durchaus anspruchsvoll. Zugleich sind aber auch Ehepartner in die Beschäftigungsduldung einbezogen, wenn auch sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen, die allerdings deutlich geringer sind als die, die das ausreisepflichtige Familienmitglied nachweisen muss. Damit werden sehr gute Integrationsleistungen durch die neue Duldung honoriert, die dann auch einen Weg in den dauerhaften Aufenthaltstitel bahnt.“
Der Gesetzentwurf nimmt außerdem Präzisierungen im Bereich der Ausbildungsduldung vor, die mit dem Integrationsgesetz 2015 etabliert und von den Ländern bislang sehr unterschiedlich angewendet wurde. Er definiert klarer, welche Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Duldung erteilt wird. So wurde die Vorgabe, dass die Identität innerhalb einer bestimmten Frist zu klären ist, ergänzt: Wenn der entsprechenden Person die verspätete Identitätsklärung nicht zuzurechnen ist, scheitert eine Duldung nicht daran. Diese Verschuldensklausel begrüßt der SVR – ebenso wie die Klausel, dass selbst dann, wenn die Identitätserklärung nicht erfolgen konnte, in Einzelfällen eine Duldung erteilt werden kann. Vergleichsweise offen definiert sind die im Katalog aufgeführten „vergleichbar konkreten Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschiebung“, die der Erteilung entsprechender Duldungen entgegenstehen. Hier besteht das Risiko, dass die Länder dies sehr unterschiedlich handhaben. Insofern ist sehr zu begrüßen, dass die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrats Klarstellungen in der Gesetzesbegründung angekündigt hat. Insgesamt begrüßt der SVR diese Präzisierungen, die die Rechtssicherheit für Unternehmen und betroffene Personen erhöhen. Da dies ein zentrales Anliegen der Reform ist, sollte in zwei Jahren geprüft werden, ob der gewünschte Effekt der Vereinheitlichung und Rechtssicherheit eingetreten ist oder ob weitere Klarstellungen erforderlich sind. Positiv bewertet der SVR zudem, dass der Anwendungsbereich der Ausbildungsduldung um Assistenz- und Helferausbildungen erweitert wurde – auch wenn dies an die Bedingung geknüpft ist, dass die Assistenz und Helferausbildung anschlussfähig an eine Ausbildung in einem Mangelberuf ist und für diese eine Ausbildungsplatzzusage vorliegt.
Neu und politisch umstritten ist die zeitliche Vorgabe, die der Bundesrat als „Karenzzeit“ bezeichnet hat: Eine Ausbildungsduldung kann künftig nur erhalten, wer zuvor schon seit sechs Monaten eine Duldung hatte. Damit signalisiert der Gesetzgeber, dass für diese sechs Monate die Rückführungsperspektive klar Vorrang hat vor Integrationsaspekten. Danach schaltet die Ampel auf Integration: Dann können Personen über die Aufnahme einer Ausbildung eine qualitativ hochwertigere Duldung erhalten (sie haben einen Rechtsanspruch darauf bei Vorliegen der Voraussetzungen) und damit den ersten Schritt Richtung Aufenthaltsverfestigung unternehmen.
„Auch hier zeigt sich das Anliegen der Bundesregierung, einen Ausgleich zwischen Rückführungs- und Integrationsperspektive zu finden“, so der SVR-Vorsitzende Prof. Bauer. Er zieht zusammenfassend das Fazit: „Das Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung sendet ein deutliches Signal, dass das Asyl Schutzsuchenden vorbehalten ist. Es verdeutlicht aber auch, dass eine pragmatische Herangehensweise angebracht ist – wer sich in außergewöhnlicher Weise engagiert, um sich zu integrieren, soll belohnt werden und eine Bleibeperspektive in Deutschland erhalten.“
Die Stellungnahme des SVR finden Sie hier: https://www.svr-migration.de/positionen/.
Sie können die Pressemitteilung hier herunterladen.
Ihre Ansprechpartnerin für Medienanfragen:
Dr. Margret Karsch
Kommunikation SVR GmbH
Telefon: 030/288 86 59-18
E-Mail: email hidden; JavaScript is required
Über den Sachverständigenrat
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration geht auf eine Initiative der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung zurück. Ihr gehören sieben Stiftungen an. Neben der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung sind dies: Bertelsmann Stiftung, Freudenberg Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stifterverband und Vodafone Stiftung Deutschland. Der Sachverständigenrat ist ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Expertengremium, das zu integrations- und migrationspolitischen Themen Stellung bezieht und handlungsorientierte Politikberatung anbietet. Die Ergebnisse seiner Arbeit werden in einem Jahresgutachten veröffentlicht.
Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Thomas K. Bauer (Vorsitzender), Prof. Dr. Petra Bendel (Stellvertretende Vorsitzende), Prof. Dr. Hacı Halil Uslucan (Stellvertretender Vorsitzender), Prof. Dr. Claudia Diehl, Prof. Dr. Viola B. Georgi, Prof. Dr. Christian Joppke, Prof. Dr. Sieglinde Rosenberger, Prof. Dr. Daniel Thym und Prof. Dr. Hans Vorländer.