Umfrage: Sarrazin-Debatte trübt Zuversicht bei Zuwanderern in Deutschland. SVR sieht „Eigentor“.
Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) präsentiert Ergebnisse einer Befragung zum Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft. Zuwanderer beurteilen Miteinander weniger optimistisch als noch vor einem Jahr. Mehrheitsbevölkerung zeigt gelassen-differenzierte Haltung.
Berlin, 10. Januar 2011. Zuwanderer blicken mit weniger Zuversicht auf das Zusammenleben in Deutschland als noch vor einem Jahr. Das zeigt eine vergleichende Befragung des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), für die 2009 und 2010 über 2.000 Personen mit und ohne Migrationshintergrund befragt wurden.
In den Antworten auf die Frage, ob Mehrheits- und Zuwandererbevölkerung „ungestört miteinander“ leben, zeigt sich bei Zuwanderern ein deutlicher Unterschied zwischen Herbst 2009 und Jahresende 2010: Dieser Aussage stimmten 2009 noch 21,7 Prozent der Zuwanderer „voll und ganz“ zu. Im November und Dezember 2010, nach der Sarrazin-Debatte, bestätigten diese positive Einstellung nur noch 9,1 Prozent. Umgekehrt verdoppelte sich fast der Anteil der pessimistischen Einschätzungen unter den Zuwanderern: 2009 bewerteten nur 3,5 Prozent die Einschätzung eines ungestörten Miteinanders mit „gar nicht“. 2010 stieg ihr Anteil auf 6 Prozent. Im Mittelfeld aber überwiegen nach wie vor die verhalten positiven, gelasseneren Einstellungen zum Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft.
Bei der Mehrheitsbevölkerung hingegen ist die pragmatisch-differenzierte Haltung gewachsen: Der Anteil derjenigen, die das Zusammenleben mit „teils, teils“ (teils ungestört, teils problematisch) bewerten, stieg von 20,9 auf 34,2 Prozent an. Umgekehrt sank der Anteil derer, die ein ungestörtes Miteinander eher verneinten, von 33,8 auf 25,5 Prozent zurück.
„Die Sarrazin-Debatte hat in der Einwanderungsgesellschaft Spuren hinterlassen“, erklärte der SVR-Vorsitzende Prof. Dr. Klaus J. Bade. „In den Meinungsspitzen beobachten wir mehr Pessimismus bei den Zuwanderern und mehr Pragmatismus bei den Deutschen. Aber das breite Mittelfeld bleibt auf beiden Seiten eher gelassen. Und das ist am wichtigsten.“ Allerdings könnte die Sarrazin-Debatte das Image des Einwanderungslandes Deutschland im Ausland beschädigt haben. Damit würden potenzielle qualifizierte Zuwanderer verprellt. Das aber, so Bade, wäre ein „Eigentor“, denn Deutschland sei längst ein „Migrationsverlierer“ geworden und müsse daraus Konsequenzen ziehen: „Deutschland muss attraktiver werden für Qualifizierte, die zögern zuzuwandern, und für solche, die erwägen, abzuwandern. Das setzt eine kritische und handlungsbereite Bestandsaufnahme voraus, die ans Eingemachte geht.“
Bei den regionalen Ergebnissen zeigte sich insbesondere in Berlin eine deutliche Polarisierung der Meinungen. Einerseits war dort die Zustimmung zu der Einschätzung, dass das Miteinander „voll und ganz“ ungestört sei, am größten: Diese Meinung teilten 10,4 Prozent der Zuwanderer- und 8,4 Prozent der Mehrheitsbevölkerung. Andererseits war aber auch der Anteil derjenigen, die „gar nicht“ von einem ungestörten Miteinander ausgingen, am höchsten (mit Migrationshintergrund: 8,7 Prozent, ohne Migrationshintergrund 8,4 Prozent). Das unterscheidet die Stimmung in Berlin von derjenigen in den Regionen Rhein-Ruhr, Rhein-Main und Stuttgart.
Die SVR-Befragung in Berlin wurde 2010 zum ersten Mal durchgeführt. Sie erfolgte in Bezirken, in denen ein hoher Anteil von Einwohnern mit Migrationshintergrund lebt: in Kreuzberg-Friedrichshain, Mitte-Wedding-Tiergarten und Neukölln. Bei Berlinern aus Bezirken mit hoher Zuwandererbevölkerung sind die Unterschiede in der Einschätzung, ob Integration gelungen oder gescheitert sei, mithin auf beiden Seiten der Einwanderungsgesellschaft deutlich schärfer ausgeprägt als in vergleichbaren innerstädtischen Gebieten anderer Regionen.
Abbildung 1: Mehrheitsbevölkerung und Zuwanderer leben ungestört miteinander
Abbildung 2: Mehrheitsbevölkerung und Zuwanderer leben ungestört miteinander – 2010
Die Pressemitteilung können Sie hier herunterladen:
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Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen
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