Solidarisch, praktikabel, krisenfest: Der SVR macht Vorschläge für eine neue Asyl- und Migrationspolitik der Europäischen Union
Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat einen „Neustart“ in der europäischen Asyl- und Migrationspolitik angekündigt, als sie Ende 2019 ihr Amt antrat. Die EU-Kommission will dafür in Kürze einen „Pakt für Migration und Asyl“ vorstellen. Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) legt jetzt ein Positionspapier vor, das die Herausforderungen und Handlungsfelder benennt und Vorschläge für eine neue europäische Asyl- und Migrationspolitik macht. Das Papier richtet sich an die europäischen Institutionen sowie an die deutsche Bundesregierung, die zum 1. Juli 2020 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen wird.
Berlin, 31. März 2020. Die jüngsten Ereignisse an der griechisch-türkischen Grenze und die Lage in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln verdeutlichen, wie dringlich die EU einen neuen Umgang mit Flucht und Migration finden muss. Der SVR plädiert dafür, das europäische Asylsystem grundlegend zu erneuern. Kurzfristig braucht es flexible Lösungen und pragmatische Koalitionen. „Die Flüchtlinge in den Camps auf den griechischen Inseln müssen dringend evakuiert werden“, sagt die SVR-Vorsitzende Petra Bendel. „Angesichts der Corona-Pandemie droht dort eine humanitäre Katastrophe. Deutschland sollte sich im Rahmen einer ‚Koalition der Willigen‘ bereit erklären, mehr Schutzbedürftige aus Griechenland aufzunehmen, als es bisher schon zugesagt hat. Es braucht jetzt einen gemeinsamen europäischen Kraftakt, um die Lage dort zu entschärfen.“
Auch Griechenland steht in der Pflicht, Flüchtlinge zu schützen. „Asylbewerber, die sich auf griechischem Territorium befinden, systematisch zurück in die Türkei oder in die Herkunftsländer abzuschieben, ohne zuvor ihre Asylanträge zu prüfen, widerspricht dem Geist und dem Wortlaut der europäischen Asylrichtlinien“, sagt der stellvertretende SVR-Vorsitzende Daniel Thym. „Die EU muss endlich dafür sorgen, dass das europäische Asylrecht in der Praxis auch angewandt wird. Dazu gehören Asylanträge ebenso wie schnelle Verfahren, um zu entschieden, wer bleiben darf und wer gehen muss.“
Diese aktuellen Krisen zeigen, dass es neben kurzfristigen Reaktionen und Hilfsmaßnahmen zugleich einer grundlegenden Reform der europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik bedarf: Mittel- und langfristig muss die EU ihre Verantwortung, Flüchtlinge zu schützen, fairer unter ihren Mitgliedstaaten aufteilen. Sie sollte dafür die Asylverfahren innerhalb der EU vereinheitlichen und die europäischen Agenturen ausbauen. Deutschland sollte seine EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte dafür nutzen, die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) in diesem Sinne voranzutreiben. Dazu gehört auch eine differenzierte Rückkehrpolitik für Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Asyl-Vorprüfungen in Zentren in Mitgliedsstaaten an den Außengrenzen der EU, wie sie das deutsche Bundesinnenministerium vorgeschlagen hat, können unter bestimmten, klar definierten Umständen zu schnelleren und besseren Asyl-Verfahren beitragen.
Der SVR plädiert außerdem dafür, dass die EU ihre „Resettlement“-Programme ausbaut, um Flüchtlinge aus Drittstaaten wie Libyen aufzunehmen. In ihren neuen Verhandlungen mit der Türkei sollte die EU unter anderem anbieten, Flüchtlinge direkt von dort aufzunehmen – auch wenn die Corona-Pandemie es erfordert, Verfahren und Abläufe entsprechend anzupassen. Die EU sollte außerdem mehr reguläre Zuwanderungsmöglichkeiten für Menschen schaffen, die zu Erwerbszwecken oder zum Zweck der Ausbildung einwandern möchten. Das könnte das Asylsystem entlasten. Der SVR regt weiterhin an, auch auf europäischer Ebene Migrations- und Integrationspolitik stärker zusammen zu denken, auch wenn die Zuständigkeit für Letztere bei den Mitgliedstaaten liegt. Hier besteht auch Potenzial für Förderinitiativen, um Beispiele guter Praxis in anderen Mitgliedstaaten bekannt machen und gute Ansätze vor Ort honorieren.
Diese Prioritäten sollten sich im Mehrjährigen Finanzrahmen für den Zeitraum 2021– 2027 spiegeln, den die Staats- und Regierungschefs der EU in diesem Jahr beschließen werden. Die finanziellen Ressourcen sollten ausgewogen darauf verwendet werden, Flüchtlinge zu schützen, irreguläre Migration zu reduzieren, reguläre Zuwanderungswege auszubauen und die Integration zu fördern.
Das Positionspapier des SVR zur Asyl- und Migrationspolitik der EU finden Sie hier.
Die Presseinformation steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.
Ihre Ansprechpartner für Medienanfragen:
Daniel Bax
Kommunikation SVR GmbH
Telefon: 030/288 86 59-18
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Über den Sachverständigenrat
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration geht auf eine Initiative der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung zurück. Ihr gehören sieben Stiftungen an. Neben der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung sind dies: Bertelsmann Stiftung, Freudenberg Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stifterverband und Vodafone Stiftung Deutschland. Der Sachverständigenrat ist ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Expertengremium, das zu integrations- und migrationspolitischen Themen Stellung bezieht und handlungsorientierte Politikberatung anbietet. Die Ergebnisse seiner Arbeit werden in einem Jahresgutachten veröffentlicht. Das SVR-Jahresgutachten 2020 wird gefördert durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.
Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Petra Bendel (Vorsitzende), Prof. Dr. Daniel Thym (Stellvertretender Vorsitzender), Prof. Dr. Claudia Diehl, Prof. Dr. Viola B. Georgi, Prof. Dr. Christian Joppke, Prof. Dr. Birgit Leyendecker, Prof. Panu Poutvaara, Ph.D., Prof. Dr. Sieglinde Rosenberger und Prof. Dr. Hans Vorländer.
Weitere Informationen unter: www.svr-migration.de