SVR: Der Regierungsentwurf eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes enthält wichtige Änderungen und Symbolkraft, geht aber nicht weit genug
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) hat heute eine ausführliche Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Fachkräfteeinwanderung veröffentlicht. Der SVR lobt, dass der Entwurf die Zuzugsoptionen für beruflich Qualifizierte deutlich ausweitet und so zur Fachkräftesicherung beiträgt. Er bedauert aber gleichzeitig, dass die Regierung weitgehend am Gleichwertigkeitskriterium festhält. Damit die rechtlichen Änderungen nicht ins Leere laufen, sind flankierende Maßnahmen erforderlich. So müsste dringend die behördliche Infrastruktur ausgebaut werden.
Berlin, 20. März 2019. Die Bundesregierung hat dem Bundestag einen Entwurf eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vorgelegt. Der SVR nimmt in seiner Stellungnahme sowohl den vorliegenden Entwurf als auch seine Entstehung in den Blick. Dass Deutschland nun ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz bekommt, sei als Signal nach außen in Zeiten eines sich verschärfenden Fachkräftebedarfs wichtig. Symbolisch nicht zu unterschätzen sei zudem ein weiterer – auf den ersten Blick lediglich rechtshistorisch interessanter – Paradigmenwechsel: Die Erwerbstätigkeit von in Deutschland lebenden Ausländerinnen und Ausländern aus Drittstaaten wird künftig als Normalfall betrachtet und nur noch in Ausnahmefällen verboten. Bislang war ihnen eine Erwerbstätigkeit grundsätzlich verboten und nur in Ausnahmefällen erlaubt, die sich mit der Zeit allerdings häuften.
Der SVR begrüßt, dass der Entwurf auf den demografischen Wandel und den steigenden Fachkräftebedarf reagiert, indem künftig für beruflich Qualifizierte ähnliche Zuzugsoptionen bestehen wie bislang schon für akademisch qualifizierte Fachkräfte. Denn der Entwurf erleichtert es beruflich qualifizierten Fachkräften, die nicht aus EU-Mitgliedstaaten stammen und die einen Arbeitsvertrag in Deutschland vorweisen können, hierzulande zu arbeiten. Bislang ist dies nur möglich, wenn es sich um einen Mangelberuf handelt. Außerdem dürfen nichtakademische Fachkräfte dem Entwurf zufolge künftig – ebenso wie akademische Fachkräfte – für ein halbes Jahr nach Deutschland kommen, um einen Arbeitsplatz zu suchen. Das gilt jedoch nur dann, wenn sie Deutschkenntnisse vorweisen können. Das bislang während der Suchphase bestehende generelle Arbeitsverbot lockert der Entwurf nur moderat – an dieser Stelle wäre aus Sicht des SVR eine stärkere Öffnung angebracht.
Nicht nur qualifizierte Fachkräfte, sondern auch Ausbildungsinteressierte sollen künftig unter bestimmten Voraussetzungen zur Suche nach einem Ausbildungsplatz einreisen dürfen. Diese langfristige Maßnahme zur Fachkräftesicherung ist aus Sicht des SVR zu begrüßen. Allerdings wird im Rahmen der geplanten Evaluation sowohl zu prüfen sein, ob die vorgesehenen Voraussetzungen zu hoch sind, als auch, ob sich diese neue Regelung als missbrauchsanfällig erweist.
Der SVR bedauert, dass nach dem derzeitigen Entwurf die Gelegenheit zu weitergehenden Reformen eines zentralen Strangs der deutschen Erwerbspolitik nicht genutzt werden soll. Denn auch künftig sollen – bis auf wenige Ausnahmen – Bewerberinnen und Bewerber die Gleichwertigkeit der im Ausland absolvierten Berufsausbildung nachweisen müssen, bevor sie einreisen dürfen. Prof. Dr. Thomas Bauer, der Vorsitzende des SVR, wünscht sich hier mehr Mut von der Bundesregierung: „Die größte Hürde für beruflich Qualifizierte ist der Gleichwertigkeitsnachweis der Berufsqualifikation. Denn es gibt in kaum einem Land der Welt ein System, das mit dem der deutschen dualen Ausbildung vergleichbar ist. Der SVR hatte das sog. ‚Nimm 2+‘-Modell vorgeschlagen, das es ermöglichen würde, den Gleichwertigkeitsnachweis durch andere Kriterien zu ersetzen. Eine berufsgruppenübergreifende Flexibilisierung des Gleichwertigkeitskriteriums, wie sie im Referentenentwurf noch angedacht war, ist jedoch in dem aktuellen Entwurf der Bundesregierung nicht mehr vorgesehen.“
Der SVR weist darüber hinaus darauf hin, dass die Rechtsumsetzung ebenso wichtig ist wie die Rechtssetzung. Professor Bauer unterstreicht: „So wertvoll die im FEG geplante Erweiterungen der rechtlichen Zuzugsmöglichkeiten auch sind, allein werden sie nicht ausreichen, um den zunehmenden Fachkräftemangel effektiv zu beheben. Begleitend muss die behördliche Infrastruktur ausgebaut werden, z. B. in Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden. Es bedarf eines guten Marketings, einer ergänzenden gezielten Anwerbestrategie, die bspw. regional verankert ist und passgenaue Rekrutierungsaktivitäten von (Landes)Politik, Arbeitsverwaltung und Unternehmen in geeigneten Zielländern vorsieht. Im Ausland sind die Möglichkeiten des Spracherwerbs zu verbessern; im Inland die der Anerkennung und Nachqualifizierung. Hier müssen wir unbürokratischer, effizienter und einladender werden. Sonst laufen rechtliche Neuerungen ins Leere.“
Die Stellungnahme des SVR finden Sie hier.
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Über den Sachverständigenrat
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration geht auf eine Initiative der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung zurück. Ihr gehören sieben Stiftungen an. Neben der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung sind dies: Bertelsmann Stiftung, Freudenberg Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stifterverband und Vodafone Stiftung Deutschland. Der Sachverständigenrat ist ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Expertengremium, das zu integrations- und migrationspolitischen Themen Stellung bezieht und handlungsorientierte Politikberatung anbietet. Die Ergebnisse seiner Arbeit werden in einem Jahresgutachten veröffentlicht.
Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Thomas K. Bauer (Vorsitzender), Prof. Dr. Petra Bendel (Stellvertretende Vorsitzende), Prof. Dr. Hacı Halil Uslucan (Stellvertretender Vorsitzender), Prof. Dr. Claudia Diehl, Prof. Dr. Viola B. Georgi, Prof. Dr. Christian Joppke, Prof. Dr. Sieglinde Rosenberger, Prof. Dr. Daniel Thym und Prof. Dr. Hans Vorländer.