SVR-Empfehlungen für eine wirksame Migrations- und Integrationspolitik mit Maß und Mitte
Anlässlich der derzeit stattfindenden Sondierungsgespräche legt der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) Empfehlungen für die neue Legislaturperiode vor. Er empfiehlt, Migration möglichst effektiv zu steuern, um Fachkräfte zu gewinnen, und die Flüchtlingsaufnahme einerseits und Rückführungen von nicht Schutzberechtigten andererseits menschenrechtskonform und europäisch umzusetzen. Weiterhin muss Integration und Teilhabe aller gefördert werden und in Wohnraum, Kitas und Schulen investiert werden. Dies dient der Akzeptanz von Vielfalt. Jeder Form von Gewalt und Extremismus oder Diskriminierung muss entschieden entgegengetreten werden.
Berlin, 07. März 2025. Der Wahlkampf hat – bei allen parteipolitischen Unterschieden in der Akzentuierung – gezeigt, dass die neue Bundesregierung flucht- und asylpolitisch vor enormen Aufgaben steht. Hier sieht der SVR eine Kernaufgabe für die künftige Legislaturperiode. „Hier wird es in der neuen Legislaturperiode darum gehen, im sachlichen Ringen um gute Kompromisse eine ausbalancierte Integrations- und Migrationspolitik umzusetzen, mit Maß und Mitte. Diese umfasst berechtigte und realisierbare Steuerungsanliegen des Staates ebenso wie eine teilhabeorientierte Politik für die hier lebenden Menschen mit wie ohne Zuwanderungsgeschichte“, so der SVR-Vorsitzende Prof. Winfried Kluth. Der SVR legt daher in einem Impulspapier dar, welchen Handlungsbedarf er für die neue Legislaturperiode sieht.
„Politische Maßnahmen, um die Zahl der irregulären Einreisen zu verringern und ausreisepflichtige Aus-länderinnen und Ausländer effektiver zurückzuführen, sind legitim. Eine Reihe entsprechender Maßnah-men sind Teil der GEAS-Reform, deren Umsetzung aus Sicht des SVR Priorität hat. Weitere Maßnahmen werden im Zuge der anstehenden Überarbeitung der Rückführungsrichtlinie auf europäischer Ebene zu diskutieren sein. Auch Abstufungen in der Rechtegewährung gegenüber verschiedenen Gruppen etwa beim Familiennachzug sind nicht ausgeschlossen, solange diese mit den völker- und europarechtlichen sowie grundgesetzlichen Verpflichtungen im Einklang stehen“, erklärt Kluth.
Was die Unterbringung und die Aufnahme von Geflüchteten betrifft, sehen sich Kommunen zum Teil an der Belastungsgrenze. Das hängt auch damit zusammen, dass lange zu wenig in Infrastruktur investiert wurde. Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum, ausreichend Kita- und Schulplätzen. „Solche Investitionen kommen allen Menschen zugute, die hier leben. Wird zu wenig investiert, verschärfen sich Konkurrenzen auf dem Wohnungsmarkt und um die begehrten Kita- und Schulplätze. Mangelsituationen und die langsame Bürokratie schrecken möglicherweise sogar die dringend benötigten Fachkräfte aus dem Ausland davon ab, überhaupt nach Deutschland zu kommen“, so die Stellvertretende Vorsitzende Prof. Birgit Glorius.
Mit dem Reformpaket zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung hat die letzte Bundesregie-rung den Arbeitsmarkt für Drittstaatsangehörige weiter geöffnet und damit einen seit 2005 partei- und regierungsübergreifend betriebenen Liberalisierungsprozess fortgesetzt. „Die Fachkräfteeinwanderung sollte nun vor allem in prozeduraler Hinsicht weiter optimiert werden, damit die deutsche Wirtschaft im europäischen und globalen Wettbewerb bestehen kann. Es gilt, dazu die (Behörden)Infrastruktur zu verbessern, digitale Technologien stärker zu nutzen und Verwaltungsverfahren zu vereinfachen“, so Prof. Kluth. Hier liegt der Schwerpunkt aus Sicht des SVR vor allem im Bereich der effektiven Rechtsumsetzung und weniger im Bereich der Gesetzgebung.
Auch im Bereich der Integration und Teilhabe sieht der SVR Handlungsbedarf für die neue Legislaturperiode, etwa im Bereich der Bildungsteilhabe, der Teilhabe von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt sowie der politischen Partizipation.
Sämtliche Empfehlungen zusammengefasst in Kürze:
1 Migration steuern: Fachkräfte gewinnen, Flüchtlingsaufnahme und Rückführungen von nicht Schutzberechtigten menschenrechtskonform und europäisch umsetzen
- Fachkräfteeinwanderung optimieren, Erwerbs- und Bildungsmigration weiter fördern
- Effektivität von Asylverfahren und Rückführungen erhöhen
- Familiennachzug sensibel steuern
- GEAS-Reformen umsetzen, Flüchtlingsschutz global und solidarisch gestalten, Fluchtursachen mindern
2 Integration und Teilhabe fördern
- Akzeptanz von Vielfalt stärken, Diskriminierung und Extremismus bekämpfen
- Bildungsteilhabe durchgehend ermöglichen und sichern
- Gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt fördern
- Politische Partizipation stärken – Einbürgerung als Schlüssel
3 Infrastruktur verbessern, Behörden stärken, Verfahren vereinfachen
- Kommunale Ebene verlässlicher finanzieren
- In bezahlbaren Wohnraum, Kitas und Schulen investieren
- Ausländerbehörden entlasten, Zuständigkeiten zentralisieren
- Verfahren vereinfachen und digitalisieren
- Langfristig planen und nachhaltige Strukturen schaffen
Die Presseinformation steht unter diesem Link zum Download zur Verfügung.
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Über den Sachverständigenrat
Der Sachverständigenrat für Integration und Migration ist ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Gremium der wissenschaftlichen Politikberatung. Mit seinen Gutachten soll das Gremium zur Urteilsbildung bei allen integrations- und migrationspolitisch verantwortlichen Instanzen sowie der Öffentlichkeit beitragen. Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Winfried Kluth (Vorsitzender), Prof. Dr. Birgit Glorius (Stellvertretende Vorsitzende), Prof. Dr. Havva Engin, Prof. Dr. Marc Helbling, Prof. Dr. Matthias Koenig, Prof. Sandra Lavenex, Ph.D., Prof. Dr. Birgit Leyendecker, Prof. Panu Poutvaara, Ph.D., Prof. Dr. Hannes Schammann.