SVR: Umsetzung des Abkommens von EU und Türkei muss humanitären Grundsätzen genügen
Das Abkommen ist nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Lösung der Flüchtlingskrise, die einerseits humanitären Grundsätzen genügt und andererseits gesamteuropäisch ausgerichtet ist. Die Bekämpfung der Fluchtursachen ist weiter vordringlich ebenso wie die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Flüchtlinge in der Türkei. Das bislang feststehende Kontingent von 72.000 syrischen Flüchtlingen, die aus der Türkei in die EU umgesiedelt werden sollen, muss erheblich erhöht werden. Bei der Umsetzung der im Abkommen vereinbarten Rückführungen in die Türkei müssen die Menschenrechte gewahrt und eine Einzelfallprüfung sichergestellt werden. Hierfür müssen die logistischen Voraussetzungen jetzt schnell geschaffen werden.
Berlin, 21. März 2016. „Die Einigung von EU und Türkei über ein Abkommen zur Rückführung von Flüchtlingen bietet immerhin eine Möglichkeit, die Renationalisierungs-Spirale in der Flüchtlingspolitik zu beenden, die nicht nur den Schengenraum, sondern auch den Binnenmarkt und die Europäische Union insgesamt in ihren Grundfesten erschüttert“, sagte die SVR-Vorsitzende Prof. Dr. Christine Langenfeld. Eine europäische Lösung mit einer Einigung auf eine faire Verteilung von Schutzsuchenden innerhalb der EU wäre wünschenswert gewesen, konnte aber in den letzten Monaten trotz erheblicher Bemühungen nicht erzielt werden. Es ist insofern durchaus als Erfolg zu werten, dass sich die 28 EU-Mitgliedstaaten auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen konnten und nun ein erster Schritt in Richtung einer Lastenteilung mit der Türkei gegangen wird, die weit über 2 Mio. Flüchtlinge aufgenommen hat. Hierbei ist wichtig, dass die EU die Türkei auch massiv dabei unterstützt, die Lebensverhältnisse für die Flüchtlinge vor Ort deutlich zu verbessern.
Allerdings muss auch der Umfang des Kontingents syrischer Flüchtlinge, die aus der Türkei in EU-Staaten umgesiedelt werden sollen, noch deutlich erhöht werden. „Denn die Zahl von 72.000 Flüchtlingen bleibt weit hinter den Erfordernissen zurück, um die Türkei wirklich zu entlasten“, sagte Langenfeld. Nur bei einer maßgeblichen Erhöhung der Flüchtlingszahlen, die in der EU Schutz finden können, kann auch das Ziel erreicht werden, den Schleppern ihr tödliches Handwerk zu legen und ein massenhaftes Ausweichen auf die noch gefährlichere Fluchtroute über Libyen und das zentrale Mittelmeer zu verhindern. „Bei der Umsetzung des Abkommens mit der Türkei muss nun auf die Einhaltung der Menschenrechte geachtet werden“, mahnte Langenfeld. Es müsse gewährleistet sein, dass die zurückgewiesenen Flüchtlinge in der Türkei einen tatsächlichen Schutz vor Bedrohung von Leib und Leben und Verfolgung erhalten und menschenwürdig behandelt würden.
Die Rückführung von Flüchtlingen aus Griechenland in die Türkei muss in vollem Einklang mit Europa- und Völkerrecht erfolgen. Das bedeutet, dass jeder Flüchtling, der von der Türkei nach Griechenland eingereist ist und einen Asylantrag stellt, Anspruch auf eine Einzelfallprüfung hat, ob die Türkei für ihn im konkreten Fall ein sicherer Drittstaat ist. Auch müssen Rechtsmittel möglich sein, d.h. eine Klage vor griechischen Gerichten. „Die EU muss Griechenland die zugesagte Unterstützung bei der Umsetzung des Abkommens nun zügig bereitstellen“, sagte Langenfeld. Bei der Prüfung von Schutzverfahren an den EU-Außengrenzen wie auch beim Schutz der Außengrenzen selbst wäre perspektivisch eine europäische Lösung sinnvoll, beispielsweise eine Durchführung der Asylverfahren durch die Europäische Union. Hierfür müssten allerdings erst noch die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden.
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Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Christine Langenfeld (Vorsitzende), Prof. Dr. Hacı Halil Uslucan (Stellvertretender Vorsitzender) sowie Prof. Dr. Gianni D’Amato, Prof. Dr. Thomas K. Bauer, Prof. Dr. Petra Bendel, Prof. Dr. Wilfried Bos, Prof. Dr. Claudia Diehl, Prof. Dr. Heinz Faßmann und Prof. Dr. Christian Joppke.