SVR zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW zu Syrien: Was sie bedeutet und was nicht
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 16.07.2024 entschieden, dass für Zivilpersonen in Syrien keine ernsthafte, individuelle Bedrohung ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Bürgerkrieg) mehr besteht. Der SVR erläutert die möglichen Folgen.
Berlin, 30. Juli 2024. Der SVR-Vorsitzende Prof. Dr. Hans Vorländer erklärt: „Die Entscheidung des OVG hat viele Nachfragen erzeugt und für Unsicherheit über mögliche Folgen auch bei anerkannten Schutzberechtigten aus Syrien gesorgt. Die Entscheidung bedeutet zunächst aber nur, dass eine Anerkennung von neuen Schutzsuchenden aus Syrien nicht auf die Bürgerkriegsklausel im Rahmen des subsidiären Schutzes gestützt werden kann. Bei den in den letzten Jahren nach dieser Regelung anerkannten Syrerinnen und Syrern dagegen ändert das Urteil zunächst nicht deren Aufenthaltsstatus.“
SVR-Mitglied Prof. Dr. Winfried Kluth weist aber darauf hin, dass nun durchaus geprüft werden könnte, ob dieser widerrufen werden kann: „Da das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Sichtweise des OVG NRW teilt, ist davon auszugehen, dass es zu entsprechenden Verfahren kommen wird. Diese sind allerdings mit einem hohen Aufwand verbunden. Das alleine ändert zudem auch noch nicht die aufenthaltsrechtliche Lage. Die aufgrund der Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigte erteilten Aufenthaltstitel bestehen grundsätzlich auch im Falle eines Widerrufs fort und müssen in einem eigenen Verfahren durch die jeweils zuständigen Ausländerbehörden überprüft werden. Oft wird es sich bereits um Niederlassungserlaubnisse handeln, die nicht wegen des Wegfalls der Anerkennung alleine widerrufen werden können. Zudem sind viele Syrerinnen und Syrer inzwischen eingebürgert, da sich sehr viele schnell und gut integriert haben. Ein Widerruf kommt deshalb vor allem dann in Frage, wenn der Aufenthalt nicht verfestigt ist und z. B. keine Beschäftigung vorliegt.“
Die Frage der Ausweisung bzw. Rückführung sei dann noch einmal gesondert zu prüfen, so der SVR. Dabei komme es auf andere Kriterien an. In Bezug auf Syrien müsse die Lage jetzt neu beurteilt werden; dieser Prozess sei in Bezug auf Afghanistan derzeit im Gange. „Ohne die entsprechenden Informationen ist das Ergebnis schwer zu beurteilen“, so der SVR-Vorsitzende Prof. Vorländer. Es gebe jedenfalls neue Überlegungen, wie Personen in sichere Landesteile in Zusammenarbeit mit Nachbarstaaten verbracht werden können. „Ein solches Vorgehen ist kompliziert, aber auch nicht rechtlich ausgeschlossen. Es kommt auch hier auf eine belastbare Beurteilung der Gefährdungslage an. Der SVR hat schon mit Blick auf sichere Herkunftsstaaten angeraten, dass die Transparenz von Einstufungsentscheidungen erhöht werden sollte; es muss nachvollziehbar gemacht werden, auf welcher faktischen Grundlage sie gefällt werden. Der SVR hat vorgeschlagen, eine unabhängige Stelle beim Bundesverwaltungsgericht zu schaffen, die diese faktischen Grundlagen transparent darlegt. An diese Überlegungen könnte nun aus gegebenem Anlass angeknüpft werden.“
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Über den Sachverständigenrat
Der Sachverständigenrat für Integration und Migration ist ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Gremium der wissenschaftlichen Politikberatung. Mit seinen Gutachten soll das Gremium zur Urteilsbildung bei allen integrations- und migrationspolitisch verantwortlichen Instanzen sowie der Öffentlichkeit beitragen. Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Hans Vorländer (Vorsitzender), Prof. Dr. Birgit Leyendecker (Stellvertretende Vorsitzende), Prof. Dr. Havva Engin, Prof. Dr. Birgit Glorius, Prof. Dr. Marc Helbling, Prof. Dr. Winfried Kluth, Prof. Dr. Matthias Koenig, Prof. Sandra Lavenex, Ph.D., Prof. Panu Poutvaara, Ph.D.