Barometer
Integrationsbarometer 2024
Das SVR-Integrationsbarometer 2024 bildet das Integrationsklima in der Einwanderungsgesellschaft ab und erhebt Einschätzungen und Einstellungen zu integrations- und migrationsspezifischen Themen. Die fünfte bundesweite Erhebung mit über 15.000 Befragten ist sowohl auf Bundesebene als auch auf Länderebene repräsentativ für die Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund, auf Bundesebene auch für die verschiedenen Herkunftsgruppen.
Integrationsklima 2024: Leichte Abschwächung des positiven Trends. SVR-Integrationsbarometer 2024 (barrierefrei)
Methodenbericht zum Integrationsbarometer 2024
Videostatement von Prof. Vorländer zum SVR-Integrationsbarometer 2024
Das Integrationsklima hat sich nach einem Hoch in der letzten Befragung wieder geringfügig eingetrübt. Der SVR-Integrationsklima-Index (IKI) erreicht auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten zwar mit 66,3 Punkten denselben Wert wie bei der Erhebung vor vier Jahren, dieser liegt aber um 2,2 Punkte niedriger als bei der Befragung 2021/22. Ursächlich für diese Entwicklung ist, dass Menschen ohne Migrationshintergrund skeptischer auf das Integrationsklima blicken als noch in der letzten Erhebung: In dieser Gruppe ist der Index um 3,2 auf 64,9 Punkte gefallen. Bei Menschen mit Migrationshintergrund liegt der IKI hingegen beinahe unverändert bei 70,3 Punkten.
Der Integrationsklima-Index erfasst die Wahrnehmung des Zusammenlebens in gesellschaftlicher Vielfalt in vier sozialen Teilbereichen: Arbeitsmarkt, Nachbarschaft, soziale Beziehungen und Bildungssystem. Es lässt sich daher auch prüfen, ob sich die Bewertung des Integrationsklimas zwischen den einzelnen Teilbereichen unterscheidet und in welche Richtung sich ihre Wahrnehmung über die Zeit hinweg entwickelt hat.
In der aktuellen Erhebung bewerten Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte das Integrationsklima mit Werten von 63,6 bzw. 55,1 Punkten im Bildungsbereich negativer als in den anderen Bereichen. Während aber die Bewertung von Menschen mit Migrationshintergrund im Vergleich zur letzten Erhebung unverändert geblieben ist, zeigt sich bei Menschen ohne Migrationshintergrund eine negative Tendenz, und zwar trotz weiterhin überwiegend positiver eigener Erfahrungen mit herkunftsbezogener Vielfalt. So geben weiterhin 80,3 Prozent der Menschen ohne Migrationshintergrund und 93,2 Prozent derjenigen mit Migrationshintergrund an, positive Erfahrungen miteinander im Bildungssystem gemacht zu haben. Die Wahrnehmung des Bereichs Nachbarschaft hat sich bei Befragten ohne Migrationshintergrund in ähnlichem Maße verschlechtert; sie liegt nun bei 61,7 Punkten (–4,7 Punkte). Das Integrationsklima auf dem Arbeitsmarkt und insbesondere in den sozialen Beziehungen dagegen wird weiterhin deutlich positiver wahrgenommen.
Frühere Auswertungen haben bereits gezeigt, dass sowohl Befragte mit als auch ohne Migrationsgeschichte die Integrationsfähigkeit des Bildungssystems und die Chancengleichheit bei der Notenvergabe skeptisch bewerteten. Zudem waren die Befragten im Bildungsbereich weniger offen gegenüber ethnischer Heterogenität als in anderen Bereichen. So waren sie beispielsweise eher bereit, in ethnisch diversen Unternehmen zu arbeiten oder in eine durchmischte Nachbarschaft zu ziehen, als ein eigenes Kind an einer Schule mit heterogener Schülerschaft anzumelden.
Auch in der aktuellen Auflage des SVR-Integrationsbarometers bestätigen sich diese Befunde. Bei Menschen ohne Migrationshintergrund zeigt sich dabei eine negative Tendenz: Sie schätzen den Bildungsbereich nun um 5,4 Punkte negativer ein als noch in der letzten Erhebung. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Schulwesens unter Bedingungen gesellschaftlicher Vielfalt ist die Bevölkerung unterschiedlicher Auffassung. Eine knappe Mehrheit der Befragten mit und ohne Migrationshintergrund erwartet, dass sich eine heterogene Schülerschaft negativ auf den Lernerfolg auswirkt (50,8 bzw. 55,1 %). Zudem sinkt der Anteil der Bevölkerung, die ein eigenes Kind an einer heterogenen Schule anmelden würde.
Das SVR-Integrationsbarometer 2024 hat zudem wie schon bei der Befragung 2017/18 Einstellungen zu Geflüchteten erhoben. Der Zeitvergleich zeigt, dass sich die Einstellungen gegenüber Geflüchteten nicht grundlegend gewandelt haben. Es lässt sich jedoch feststellen, dass die Befragten inzwischen skeptischer in Bezug auf den erwarteten ökonomischen Beitrag sind, den Geflüchtete in Zukunft leisten können. Zudem nimmt die Sorge zu, dass Geflüchtete den Wohlstand in Deutschland negativ beeinflussen könnten. Besonders Menschen ohne Migrationshintergrund, (Spät‑)Aussiedlerinnen und (Spät‑)Aussiedler sowie Türkeistämmige teilen diese Ansicht nun verstärkt (+10,4; +4,4 bzw. +3,5 Prozentpunkte). Infolgedessen nimmt nun etwa jede dritte Person Flüchtlinge zunächst als Bedrohung für den Wohlstand wahr, wodurch sich die Einschätzungen von Personen mit und ohne Migrationshintergrund angenähert haben (36,8 bzw. 38,5 %). Gleichzeitig erwarten weiterhin mehr als sechs von zehn Befragten langfristig einen positiven wirtschaftlichen Beitrag durch die aufgenommenen Flüchtlinge; auch hier zeigt sich allerdings eine leichte Abnahme der Werte.
Gewachsen ist aber auch die Offenheit gegenüber kultureller Vielfalt. Nur etwa ein Viertel der Befragten mit und ohne Migrationsgeschichte erwartet, dass Geflüchtete ihre kulturelle Lebensweise aufgeben sollten, wenn sie länger in Deutschland leben (26,0 bzw. 23,4 %). Gleichzeitig erwarten weniger Menschen ohne Migrationshintergrund, dass Geflüchtete Deutschland langfristig kulturell bereichern werden. Hinsichtlich der Auswirkungen von Fluchtmigration auf die Kriminalität bleibt die Bevölkerung gespalten; hier gibt es teils deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Herkunftsgruppen.
Die Befragten zeigen in der durchgeführten Vignettenstudie weiterhin eine große Bereitschaft, individuellen Schutzsuchenden Asyl zu gewähren, insbesondere bei einer Flucht vor politischer Verfolgung oder Krieg. Diese Bereitschaft reduziert sich jedoch deutlich, wenn potenzielle Schutzsuchende vor Armut fliehen oder nur eine geringe Bildung aufweisen.
Für die Studie wurden zwischen Ende November 2023 und Anfang Juli 2024 insgesamt 15.020 Personen interviewt. Davon waren 8.001 Menschen ohne Migrationshintergrund, 1.092 (Spät‑)Aussiedlerinnen und (Spät‑)Aussiedler, 1.003 Türkeistämmige, 1.730 Zuwanderinnen und Zuwanderer aus EU-Ländern und 3.194 Personen aus der „übrigen Welt“. Um Aussagen auf Bundeslandebene treffen zu können, hat der SVR in jedem Bundesland mindestens 500 Menschen ohne und weitere 500 mit Migrationshintergrund befragt. In den ostdeutschen Flächenländern wurden aufgrund des geringeren Anteils an der Gesamtbevölkerung neben 500 Befragten ohne Migrationshintergrund lediglich 300 Personen mit Migrationshintergrund interviewt.