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Ein Mensch – ein Thema

Auswanderung: Häufig nur ein Abschied auf Zeit!

Bochum/Montpellier März 2015. Gehen deutsche Fachkräfte ins Ausland, weil sie glauben, dass ihnen dort der rote Teppich ausgerollt wird, wie es so oft heißt? Und sind diejenigen, die zurückkehren, wirklich meist ‚die Gescheiterten‘? Die derzeit über 100.000 Deutschen, die jedes Jahr auswandern, sind überwiegend jung, hoch qualifiziert und familiär ungebunden oder kinderlose Paare. Die beliebtesten Zielländer sind die Schweiz, die USA sowie Staaten der Europäischen Union, wie Österreich, Polen oder das Vereinigte Königreich. Die Motive der Auswanderer sind vielfältig: der Wunsch, neue Erfahrungen zu sammeln, treibt sie ebenso an wie berufliche Gründe und partnerschaftliche Motive. Bei der Rückkehr nach Deutschland spielen vor allem familiäre Gründe eine Rolle. Auch wenn viele von ihnen finanzielle Einbußen bei einer Rückkehr hinnehmen müssen (eine Ausnahme sind hier Hochqualifizierte), so verbessern sich in Deutschland die sozialen Lebensbedingungen für die meisten merklich, das soziale Umfeld ist also ein starker Standortfaktor. Unter den Rückwanderern sind – ebenso wie unter den Auswanderern – Akademiker und Führungskräfte stark überrepräsentiert. Es sind also keineswegs ‚die Gescheiterten‘, die nach Deutschland zurückkehren. Aber auch ein starkes soziales Umfeld und beruflicher Erfolg halten Rückkehrer nicht zwangsläufig für den Rest ihres Lebens in Deutschland: Über die Hälfte derer, die schon einmal im Ausland waren, möchten in Zukunft wieder ins Ausland gehen.

Auch wenn unter dem Strich etwas mehr Deutsche auswandern als zurückkehren, sollte die internationale Mobilität von Deutschen nicht nur als Verlust von Fachkräften angesehen werden, sondern auch als Chance. Denn Deutschland profitiert in vielfältiger Weise von den neuen Erfahrungen, Kenntnissen und sozialen Netzwerken der deutschen Auswanderer und Rückkehrer.

Wir stellen Ihnen zwei Wissenschaftler vor, die Deutschland für einen Job im Ausland verließen: Sarah Weigelt, die nach ihrer Promotion am MIT forschte und nach zweieinhalb Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland zurückkehrte. Und Malik Lutzmann, der in Frankreich als Forscher sehr gute Arbeitsbedingungen vorfand. Sie sind jedoch nur ein Grund, weshalb er sich eine baldige Rückkehr nach Deutschland nicht vorstellen kann.

Prof. Weigelt, Foto: SVR/Simon Bierwald
Prof. Weigelt, Foto: SVR/Simon Bierwald

Sarah Weigelt studierte Psychologie und Philosophie in Düsseldorf. Während ihres Studiums lernte sie ihren Mann kennen. Nach ihrer Promotion in Psychologie/Kognitiven Neurowissenschaften an der Universität Maastricht in den Niederlanden war für Sarah Weigelt und ihren Mann der Weg an eine renommierte amerikanische Universität der nächste logische Schritt auf der Karriereleiter. Ihre Bewerbung als Postdoctoral Fellow am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) stieß auf großes Interesse und so wagten beide – ihr Mann zu diesem Zeitpunkt noch ohne feste Stelle – den Weg an die amerikanische Ostküste. Für Sarah Weigelt, die bereits als Kind mit ihren Eltern einige Monate in Südamerika verbracht hatte, stellte dies ein überschaubares Abenteuer dar. Vielleicht auch, weil von Anfang an klar war, dass es sich um einen Aufenthalt auf Zeit handeln würde und die Zelte in Deutschland nicht komplett abgebrochen wurden. „Besonders für mich stand eine Rückkehr nach Deutschland nie infrage, es war aber klar, dass der Aufenthalt mindestens zwei Jahre dauern sollte.“ Entsprechend konzentrierten sich beide stark auf den Job und profitierten von den traumhaften Arbeitsbedingungen am MIT. „Die Work-Life-Balance war in dieser Zeit entsprechend schlecht und soziale Kontakte außerhalb der beruflichen Beziehungen existierten eigentlich nicht.“ Nach der Geburt ihres ersten Kindes planten beide die Rückkehr nach Deutschland. Da beide gleichzeitig zurückkommen wollten, musste die Rückkehr entsprechend strategisch geplant werden. Ihr Mann fand zuerst eine Stelle im nichtwissenschaftlichen Bereich, Sarah Weigelt stellte einen Antrag für ein Rückkehrstipendium beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Problematisch dabei war, dass die Bewilligung nur für sechs Monate erfolgte und die Anschlussbeschäftigung zunächst ungewiss war. Andere Rückkehrprogramme hätten aber einer deutlich längeren Vorlaufzeit bedurft, und eine Trennung der Familie kam für beide nicht infrage. Die Rückkehr gestaltete sich deshalb komplizierter als gewünscht und Sarah Weigelt war für kurze Zeit arbeitslos. „Die Professur in Bochum war für mich schließlich ein echter Gewinn, endlich konnten wir Beruf, Familie und Freundeskreis wieder unter einen Hut bekommen.“ Von ihren Kontakten aus der Zeit am MIT profitiert Frau Weigelt noch immer. Aus vielen Kollegen sind Freunde geworden und der fachliche Austausch mit den nun über den ganzen Globus verteilten Wissenschaftlern findet weiterhin statt. Sarah Weigelt gehört zu den über 50 Prozent der Rückkehrer, die sich sehr gut vorstellen können, in Zukunft wieder ins Ausland zu gehen. Auch für die Kinder – mittlerweile zwei – wäre dies, so sagt sie aus eigener Erfahrung, eine Bereicherung. Die Bedingungen für den Auslandsaufenthalt wären nun aus ihrer Position als Professorin heraus auch deutlich besser. Vorstellbar ist jedoch weiterhin nur ein Aufenthalt auf Zeit, etwa ein Forschungsfreisemester. „Meine berufliche Laufbahn sehe ich ansonsten weiterhin hier in Deutschland.“

Malik Lutzmann, Foto: SVR/Cyril Sarrauste
Malik Lutzmann, Foto: SVR/Cyril Sarrauste

Malik Lutzmann forscht als Biochemiker im Bereich Genetik und hat in Frankreich, wo er seit 2004 lebt, beruflich früh stabile Perspektiven angetroffen. Nach Abitur und Zivildienst studierte er in Freiburg Chemie und promovierte danach in Heidelberg. Er fühlte sich wegen häufiger Familienurlaube in Frankreich schon als Kind mit diesem Land vertraut. Weil er nach seiner Promotion in der akademischen Forschung tätig sein wollte, ging er im Rahmen eines Stipendiums 2004 nach Montpellier an das Institut für Humangenetik des CNRS, der größten staatlichen Grundlagenforschungsinstitution in Frankreich. Er konnte dort als Postdoc unter sehr guten Bedingungen an einem Forschungsthema arbeiten, das es so an keinem deutschen Institut gab. Über das französische Concours-System, das Auswahlverfahren für Beamte in Frankreich, das für die akademische Forschung unabhängig von der Staatsangehörigkeit rekrutiert, gelang es Malik Lutzmann nach vier Jahren Aufenthalt im Alter von 36 Jahren, eine Beamtenstelle auf Lebenszeit als CNRS-Wissenschaftler zu bekommen. Dies ermöglicht ihm, innerhalb der CNRS-Institute landesweit zu arbeiten. „Ich war in meinem Berufsleben in der glücklichen Lage, nie vor der Frage zu stehen, wie es eigentlich weitergehen soll. In Deutschland hätte ich, wenn überhaupt, eine Dauerstelle in der akademischen Forschung wahrscheinlich erst wesentlich später bekommen.“ Malik Lutzmann schließt eine Rückkehr nach Deutschland nicht prinzipiell aus, sieht momentan aber seine Zukunft eher in Frankreich: Für seine aus dem Libanon stammende Partnerin, die gerade einen Job im Bereich Biochemie sucht, ist es wahrscheinlicher, in Frankreich eine passende Position zu finden. Beide fühlen sich mit der momentanen Situation wohl. „Das Leben mit Sonne und Meer ist es uns wert, etwas weniger zu verdienen, als es als Professor oder gar in der freien Wirtschaft in Deutschland der Fall wäre.“ Den Umzug nach Frankreich hat er nicht als großen Einschnitt erfahren – Freunde und Familie besuchen ihn mehrmals jährlich – und auch bürokratische Hindernisse gab es kaum. Obwohl die Umgangssprache im Labor Englisch ist, begann er während seiner Promotion Französisch zu lernen, denn „wenn man am Leben hier wirklich teilhaben will, muss man einfach Französisch sprechen“.

Detaillierte Informationen zum Thema Aus- und Rückwanderung finden Sie in der Publikation International Mobil. Motive, Rahmenbedingungen und Folgen der Aus- und Rückwanderung deutscher Staatsbürger und in der Pressemitteilung vom 10. März 2015.