Bildung
Bildung ist ein Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe und Integration. Doch die Bildungschancen sind in Deutschland nach wie vor ungleich verteilt. Der Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen hängt weiterhin erheblich von der sozioökonomischen Lage der ihrer Familie ab. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, vor allem die selbst zugewanderten, sind in besonderem Maße betroffen.
Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) hat wiederholt darauf hingewiesen, dass es eine dauerhafte Herausforderung bleibt, Chancengleichheit in der frühkindlichen Bildung, im Schulbereich, an den Hochschulen und in der beruflichen Ausbildung zu erreichen. Auch der wissenschaftliche Stab in der Geschäftsstelle untersucht Ursachen für ungleiche Teilhabe sowie deren Auswirkungen. Im Fokus stehen dabei die Bildungsstrukturen und ihre Bedeutung für den Lernerfolg junger Menschen sowie die Frage, wie Lehrkräfte, pädagogisches Fachpersonal und Eltern den Bildungsweg unterstützend begleiten können. Aus den gewonnenen Erkenntnissen leiten der SVR wie der wissenschaftliche Stab Handlungsempfehlungen für Praxis, Politik und zukünftige Forschung ab.
Aspekte im Fokus
Frühkindliche Bildung, Kita und Schule
Politische Entscheidungstragende haben über Jahre hinweg Anstrengungen unternommen, die Zahl der Betreuungsplätze auszubauen und die Qualität der Betreuung zu erhöhen (z. B. Tagesbetreuungsausbaugesetz 2005, Einführung eines Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz (§24 SGB VIII) 2013, Gute-KiTa-Gesetzes 2019, KiTa-Qualitätsgesetz 2023). Trotzdem sind nach wie vor Unterschiede erkennbar; in den letzten Jahren hat sich die Kluft sogar leicht vergrößert. So liegt die bundesweite Betreuungsquote bei den drei- bis sechsjährigen Kindern ohne Migrationshintergrund seit 2018 konstant bei 99 bis 100 Prozent; bei den gleichaltrigen Kindern mit Migrationshintergrund ist sie stattdessen von 88 Prozent in 2016 auf 78 Prozent in 2022 gesunken. Bei den unter Dreijährigen zeigen sich ähnliche Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund.
Außerdem besuchen Kinder mit Migrationshintergrund häufiger Kindertageseinrichtungen, die segregiert sind und in denen die pädagogische Qualität häufig niedriger ist. Das zeigt sich z. B. an weniger Förderungsmaßnahmen. Für den späteren schulischen Erwerb u. a. mathematischer und naturwissenschaftlicher Kompetenzen ist das ein großer Nachteil.
Jugendliche mit Migrationshintergrund besuchen noch immer überdurchschnittlich häufig Hauptschulen. Das trifft insbesondere auf diejenigen zu, die im Kindes- oder Jugendalter nach Deutschland gekommen sind. Beim Gymnasialbesuch schließen die in Deutschland geborenen Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte weiter zu ihren Gleichaltrigen ohne Zuwanderungsgeschichte auf: Mehr als jede bzw. jeder dritte Jugendliche besucht ein Gymnasium (36,9 % vs. 41,9 % bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund).
Für Flüchtlinge gestaltet sich der Schulbesuch komplizierter als für einheimische Kinder und Jugendliche: Während oder nach einem Asylverfahren entscheiden die Landesverfassungen und Schulgesetze der Bundesländer darüber, ab wann die Schule besucht werden darf bzw. muss. Das kann, je nach Bundesland, mehrere Monate dauern – wertvolle Zeit, die den Betroffenen bei Integration und Lernfortschritt fehlt.
Berufliche Bildung und Hochschulen
Jugendliche mit Migrationshintergrund beginnen nicht nur weniger häufig, sondern meist auch zu einem späteren Zeitpunkt eine Berufsausbildung als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Ausbildungsinteressierte mit Migrationshintergrund finden sich zudem etwas häufiger in Maßnahmen des sog. Übergangssystems, gehen eher einer Erwerbstätigkeit nach und sind eher arbeitslos als Jugendliche ohne Zuwanderungsgeschichte.
Ob junge Menschen mit Migrationshintergrund ein Studium aufnehmen, entscheidet sich häufig schon in der Schule, wo sich Ungleichheiten bisweilen über verschiedene Bildungsetappen kumulieren und u. a. an den Übergängen zur nächsthöheren Schulform sichtbar werden oder sich verschärfen. Dennoch hatten 2022 drei von zehn (31,5 %) aller Studierenden im Alter von 18 bis 29 Jahren an deutschen Hochschulen einen Migrationshintergrund. Studierende mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die ihre Studienberechtigung in Deutschland erworben haben (sog. Bildungsinländer und -inländerinnen) brechen häufiger ihr Studium ab oder erzielen schlechtere Prüfungsergebnisse als deutsche Studierende. Diese Unterschiede lassen sich zu großen Teilen durch die soziale Herkunft erklären: Mehr als die Hälfte der Studierenden mit Migrationshintergrund stammt aus einem bildungsfernen Elternhaus und erhält deshalb mitunter weniger Unterstützung, weil die Erfahrung und entsprechendes Wissen fehlen.
Die Forschung zeigt, dass Geflüchtete im Studium vor sehr ähnlichen Hürden stehen wie ihre internationalen Mitstudierenden, die keine Fluchterfahrung aufweisen und die eigens zum Studium nach Deutschland gekommen sind.