Veranstaltungen – Sachverständigenrat
(Arbeitsmarkt-)Integration von Flüchtlingen meistern, gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.
Fachgespräch zum SVR-Jahresgutachten am 6. Oktober 2017 in Stuttgart
Die Ergebnisse der Umfrage im Rahmen des SVR-Integrationsbarometers zeigen, dass ein fester Arbeitsplatz als wichtigstes Kriterium für die Zugehörigkeit zur Gesellschaft angesehen wird. Personen mit und ohne Migrationshintergrund schätzen es gleichermaßen als weitaus wichtiger ein, eine Arbeit zu haben als beispielsweise die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen, dem christlichen Glauben anzugehören oder in Deutschland geboren zu sein.
Gleichzeitig stehen Politik und Gesellschaft vor großen Herausforderungen, wenn es darum geht, Flüchtlinge schnell und nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Frage, wie diese Integration gelingen kann, stand deshalb im Zentrum eines Fachgesprächs, das der SVR gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung und der Freudenberg Stiftung am 6. Oktober in Stuttgart durchführte. Unter dem Titel „(Arbeitsmarkt-)Integration von Flüchtlingen meistern, gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken“ luden die drei Akteure Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft, Verbänden und Zivilgesellschaft zu einem Fachgespräch in die Räumlichkeiten der Robert Bosch Stiftung ein.
Uta-Micaela Dürig, Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung, betonte in ihrem Grußwort, dass eine interdisziplinäre und institutionsübergreifende Zusammenarbeit notwendig sei, um innovative Ansätze zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu finden. Der SVR-Vorsitzende Prof. Dr. Thomas Bauer unterstrich in seinem Vortrag, dass ökonomische Theorien und Studien zur Auswirkung von Fluchtmigration keine negativen Auswirkungen der Zuwanderung für die Bevölkerung erwarten lassen, sondern – insgesamt betrachtet – im Gegenteil eine Steigerung der volkswirtschaftlichen Produktivität. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigten jedoch auch, so Prof. Bauer, dass die Integration in den Arbeitsmarkt Zeit und Geduld brauche. Der SVR empfehle einen Dreischritt aus frühzeitiger Qualifikationserfassung (1), Erwerb der deutschen Sprache (2) und Qualifikationsmaßnahmen (3). Als integrationspolitisch nicht sinnvoll bezeichnete der SVR-Vorsitzende die Tatsache, dass nur Asylsuchende mit guter Bleibeperspektive Anspruch auf Fördermaßnahmen haben. Weiterhin machte Prof. Bauer darauf aufmerksam, dass Integrationskurse als zentrales Element der staatlichen Wertevermittlung wichtig sind, Werteübernahme jedoch erlebte Erfahrung im Alltag braucht.
Dies betonte auch Ottilie Bälz, Leiterin des Themenbereichs Gesellschaft bei der Robert Bosch Stiftung, in ihrem anschließenden Kommentar. Aus Sicht der Stiftung spielten die Kommunen dabei eine entscheidende Rolle und müssten entsprechend gestärkt werden. Frau Bälz lobte weiterhin das große zivilgesellschaftliche Engagement und betonte die Notwendigkeit, die entstandenen Strukturen zu stärken und zu verstetigen, um für künftige Herausforderungen besser gewappnet zu sein. Darüber hinaus machte sie sich für eine bessere Einbeziehung der Flüchtlinge selbst stark und forderte den Ausbau von Foren, die ihnen eine Stimme geben und ihre Selbstorganisation unterstützen.
Dr. Pia Gerber, Geschäftsführerin der Freudenberg Stiftung, betonte, dass Bildung immer eine sinnvolle Investition sei, auch wenn Flüchtlinge zeitnah weiterwandern oder in ihre Heimat zurückkehren. Weiterhin machte sie auf Paradoxien aufmerksam, beispielsweise dass von Abschiebung oft die gut integrierten Flüchtlinge betroffen seien, weil diese schlichtweg besser greifbar seien. Darüber hinaus betonte sie die Notwendigkeit, insbesondere Gruppen von Geflüchteten zu stärken, die anderenfalls wenig berücksichtigt werden, beispielsweise junge volljährige Flüchtlinge und junge Frauen. Wie der SVR sprach sich Dr. Gerber gegen Sonderprogramme aus und empfahl, die vorhandenen Regelstrukturen zu nutzen und bei Bedarf zu flexibilisieren.
In der Diskussion griffen einige der Teilnehmenden des Fachgesprächs unter anderem das Thema „Spurwechsel“ auf. Prof. Bauer betonte, dass aus Sicht des SVR ein Spurwechsel im Asylverfahren nicht möglich sein sollte. Nach Abschluss des Verfahrens sollten ordnungs- und integrationspolitische Faktoren jedoch flexibel abgewogen werden. Weiterhin kam die Frage nach der Bedeutung eines Einwanderungsgesetzes auf. Ein solches wird vom SVR begrüßt, um die bestehenden Regelungen zu systematisieren und zu vereinfachen sowie ein positives Signal an Fachkräfte außerhalb Deutschlands zu senden.