Veranstaltungen – Sachverständigenrat
Klimawandel und Migration: Was wir über den Zusammenhang wissen und welche Handlungsoptionen es gibt
Fachgespräch zum SVR-Jahresgutachten 2023 am 25. Oktober 2023 in Stuttgart
Gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung und der Freudenberg Stiftung lud der SVR am 25. Oktober Expertinnen und Experten aus Baden-Württemberg zu einem regionalen Fachgespräch nach Stuttgart ein. Prof. Panu Poutvaara, Ph.D. Mitglied des SVR, präsentierte hierbei das aktuelle Jahresgutachten „Klimawandel und Migration: Was wir über den Zusammenhang wissen und welche Handlungsoptionen es gibt“.
In seinem Vortrag stellte Prof. Poutvaara die zentralen Befunde und Empfehlungen des Gutachtens vor, das sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf das Migrationsgeschehen auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene und damit verbundenen Herausforderungen beschäftigt. Zudem erläuterte er die vom SVR vorgeschlagenen Instrumente: einen Klima-Pass, eine Klima-Card und ein Klima-Arbeitsvisum. Prof. Poutvaara betonte hierbei, dass zunächst das „Recht zu bleiben“ gestärkt werden müsse, bevor das gesamte Instrumentarium der Migrationspolitik zum Einsatz komme.
Didem Akbaş, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Freudenberg Stiftung, kommentierte, dass viele Herausforderungen aus dem SVR-Jahresgutachten sich in den Handlungsfeldern der Stiftung widerspiegelten. Hier stehe bspw. Bildungschancengleichheit im Fokus, es gehe aber auch um Beratung und Unterstützung bei Anerkennungsprozessen, Demokratieförderung und Unterrichtsentwicklung. Zur Versachlichung der Debatte, wie sie auch der SVR leiste, fördere die Stiftung den Mediendienst Integration, der eine Einordnung von Themen leiste.
Hannes Einsporn, Senior Projektmanager im Bereich Migration und Globale Fragen der Robert Bosch Stiftung, berichtete über Schwerpunkte der Stiftungsarbeit zu klimawandelbedingter Migration. Das „Recht zu bleiben“ solle gestärkt, die Binnenmigration im globalen Süden gestaltet werden. Hier setze die Africa Climate Mobility Initiative an. Oftmals fehle es den Zivilgesellschaften an Wissen und Bewusstsein über die Folgen des Klimawandels. Daher unterstütze die Robert Bosch Stiftung die Förderung der Climate Literacy, der sogenannten Klimakompetenz, damit die Betroffenen bewusste Entscheidungen treffen und Anpassungsmaßnahmen ergreifen können. Ein Anliegen der Stiftung sei es auch, gute Lösungen für gemischte Wanderungen (sog. mixed migration flows) zu finden, damit Migration geordnet, sicher und regulär gestaltet werden könne. Er verwies darauf, dass im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit die Ausbildung vor Ort gefördert werden und einem Teil der Personen eine Tätigkeit in Deutschland ermöglicht werden könne. Eine Ausbildung im Bereich Erneuerbare Energien könne zum beidseitigen Nutzen sein und in Migrationspartnerschaften integriert werden. Schließlich zeigte Herr Einsporn anhand eines Beispiels aus den USA auf, dass die klimabedingte Binnenmigration auch soziale Fragen aufwirft. Die Menschen, die am wenigsten Ressourcen haben, können sich am wenigsten vor den Folgen des Klimawandels schützen. Dies gelte weltweit und müsse adressiert werden.
Die anschließende vertrauliche Diskussion mit den Teilnehmenden aus Politik, Wissenschaft, Kommunen, Wirtschaft, Verbänden und Zivilgesellschaft wurde von der SVR-Geschäftsführerin Dr. Cornelia Schu moderiert.
Gegenstand der Debatte waren unter anderem die Unsicherheiten, die mit den bestehenden Prognosen zum Ausmaß klimawandelbedingter Migration verbunden sind. Prof. Poutvaara erläuterte, dass alle Szenarien auf bestimmten Annahmen für die zukünftige Entwicklung (bspw. zum C02-Ausstoß) basieren und daher Unsicherheiten bergen. Es bestehe aber ein Konsens über alle Schätzungen hinweg, dass bei fortschreitendem Klimawandel in der Folge auch Migration zunehmen werde. Bislang sei es im wesentlichen Binnenmigration sowie Migration in Nachbarländer, kaum interkontinentale Migration. Konsens bestand unter den Teilnehmenden, dass dringende Maßnahmen zur Schadensbeseitigung und Anpassung in den Herkunftsländern erforderlich sind, um das Recht auf Verbleib zu stärken, damit gar nicht erst so viele Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Prof. Poutvaara gab zu bedenken: „Es ist sehr teuer, diesen Ländern zu helfen, aber es ist noch viel, viel teurer, diesen Ländern nicht zu helfen“. Zudem müsse man alles tun, um die Klimaziele zu erreichen.
Ausführlich erörtert wurden die vom SVR vorgeschlagenen Instrumente Klimapass, Klimacard und Klimaarbeitsvisum; angesichts der aktuellen Debatte und der Überlastung mancher Kommunen in Deutschland bestand Skepsis, dass es eine hohe (politische) Bereitschaft gibt, über weitere Aufnahme von Personen zu sprechen, die vom Klimawandel betroffen sind. Prof. Poutvaara betonte, dass der Klimapass mit einem konditionslosen Daueraufenthalt lediglich für die kleine Gruppe von Personen konzipiert sei, die ihr Territorium bspw. durch einen steigenden Meeresspiegel ganz verlieren. Die Klimacard sei kontingentiert und temporär konzipiert, man wolle auch keinen dauerhaften Brain Drain fördern. Das Klimaarbeitsvisum wiederum sei an eine Erwerbstätigkeit gekoppelt und insofern arbeitsmarktbezogen. Die Beteiligten des Gesprächs waren sich einig, dass eine europäische Lösung für die klimabedingte Migration erforderlich sei, und Deutschland alleine nicht über die Kapazität und Ressourcen verfüge.
Auf kommunaler Ebene solle ebenfalls ein gemeinschaftlicher Schulterschluss aller Akteure angestrebt werden. Hier komme der Sprachförderung eine besondere Bedeutung für die Integration zu, so der Konsens, aber man müsse sich auch für eine sachliche und konstruktive Politikgestaltung einsetzen, auch um die Akzeptanz der Bevölkerung zu erhalten. Hierzu könne die Arbeit des SVR einen wichtigen Beitrag leisten, indem wissenschaftliche Evidenz verständlich aufbereitet und Zahlen eingeordnet werden.
Bezogen auf die Entwicklungszusammenarbeit, so einige Teilnehmenden, sei es wichtig, jeden Anschein von Gönnerhaftigkeit zu vermeiden. Der globale Norden trage eine historische Verantwortung für den CO2-Ausstoß und sei daher im Sinne der Klimagerechtigkeit zum Ausgleich verpflichtet, da der globale Süden die Hauptlast bezogen auf die Klimaschäden trage. Auch in Deutschland spüre man zunehmend die Auswirkungen des Klimawandels und auch hier seien manche Gruppen mehr davon betroffen als andere. Eine nachhaltige Lösung im Sinne der Dauerhaftigkeit würde bedeuten, Verhaltensweisen zu verändern, alte Lebensansichten sowie eingefahrene Denkmuster zu überwinden.
Markus Lux von der Robert Bosch Stiftung GmbH begrüßt die Teilnehmenden.
Prof. Dr. Panu Poutvaara, SVR, stellt das Jahresgutachten 2023 vor.
Didem Akbaş, Freudenberg Stiftung gGmbH, kommentiert das Jahresgutachten.
Hannes Einsporn von der Robert Bosch Stiftung stellt die inhaltlichen Parallelen seiner Arbeit zum Jahresgutachten vor.
Dr. Cornelia Schu, SVR gGmbH, moderiert das Fachgespräch.
Weitere Eindrücke aus dem Fachgespräch