Veranstaltungen – Wissenschaftlicher Stab
Roundtable “Der Migrationskorridor von kosovarischen Arbeitskräften nach Deutschland: Chancen und Risiken für die Arbeitsmärkte“ am 25.2.2020
Englischsprachiger Roundtable am 25. Februar 2020 im ProjektZentrum Berlin
Trotz des Anstiegs der Arbeitsmigration aus EU- und Nicht-EU-Ländern herrscht in Deutschland Arbeitskräftemangel. Gleichzeitig weist Kosovo den höchsten Anteil an Erwerbslosen in der Region Westbalkan auf, sowohl bei den Gering- als auch bei den Hochqualifizierten. Die hohe Arbeitslosigkeit und die wachsenden Mobilitätsoptionen durch die so genannte Westbalkan-Regelung und das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz sind eine große Chance für das Land. Zugleich können die attraktiven Zuwanderungsmöglichkeiten auch zu einer Gefahr für die kosovarische Wirtschaft werden – wenn nämlich Arbeitskräfte aus Sektoren abwandern, für die auch in der Republik Kosovo kein Überschuss besteht.
Zusammen mit dem Think Tank GAP – Institute for Advanced Studies aus Priština (Republik Kosovo) stellte der SVR das Thema am 25. Februar 2020 in den Mittelpunkt eines Roundtables. Teilnehmende aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Think Tanks und Zivilgesellschaft tauschten sich zu den Chancen und Risiken eines Migrationskorridors von kosovarischen Arbeitskräften nach Deutschland aus.
Nach einer Begrüßung durch die Geschäftsführerin des GAP Instituts Nora Latifi-Jashari und den Leiter des SVR-Forschungsbereichs Dr. Jan Schneider stellte Blend Hyseni, wissenschaftlicher Mitarbeiter des GAP Instituts, die Ergebnisse der aktuellen Studie „The emigration of Kosovo’s labor force to Germany. A brief assessment of positive and negative returns“ vor. Das GAP Institut hat mit Unterstützung des SVR-Forschungsbereichs den Migrationsfluss von Kosovo nach Deutschland analysiert und die daraus erwachsenden Chancen für die Arbeitsmärkte beider Länder untersucht. Die Studie beschreibt, in welchen Segmenten positive Effekte oder auch Risiken zu erwarten sind. Dazu wurden Migrations- und Arbeitsmarktstatistiken beider Länder analysiert und die gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen berücksichtigt. Die Studie nimmt dabei auch die Visa-Verfahren in den Blick.
Beqë Cufaj, Botschafter der Republik Kosovo in Deutschland, begrüßte die Publikation als „erste, ernst zu nehmende Studie“, mit der man sich im Hinblick auf die Gegenwart und die Zukunft der Migrationsverhältnisse zwischen Kosovo und Deutschland verorten könne. Er hob zum einen die enorme Bedeutung der Diaspora für die deutsche Wirtschaft hervor – so gebe es z. B. allein in Baden-Württemberg rund 2.500 Garten- und Landschaftsbaubetriebe, in denen Menschen mit kosovarischen Wurzeln arbeiteten. Zum anderen betonte er die Rolle der Rücküberweisungen, die mit offiziell rund 900.000 Euro pro Jahr quasi einen „zweiten Staatshaushalt“ bedeuteten und zu 40 Prozent in Deutschland generiert würden. Besonderen Handlungsbedarf sieht Cufaj im Bereich der dualen Ausbildung, hier müssten beide Länder noch besser zusammenarbeiten.
Adnan Ćerimagić, Analyst bei der Europäischen Stabilitätsinitiative, hob die möglichen Folgen der Emigration für die Länder des westlichen Balkans hervor. Im Hinblick auf die weitere Gestaltung der Migrationspolitik schlug er vor, dass mögliche Zukunftsentwicklungen in den verschiedenen Sektoren des kosovarischen Arbeitsmarkts strategisch mitgedacht werden, um mögliche Risiken für Braindrain besser entgegenzuwirken.
In der anschließenden Diskussion war unter anderem die Westbalkan-Regelung Thema, die nach derzeitigem Stand zum 31.12.2020 ausläuft. Einigkeit herrschte unter den Teilnehmenden, dass das zum 1. März 2020 in Kraft tretende Fachkräfteeinwanderungsgesetz nicht die Vorteile der bestehenden Westbalkan-Regelung kompensieren kann. Die Möglichkeit einer Verlängerung der Westbalkan-Regelung wurde daher von einigen der Diskutantinnen und Diskutanten begrüßt. Auch die Bedeutung von Qualifizierungsmöglichkeiten in Kosovo für eine zukünftige Beschäftigung auf dem deutschen Arbeitsmarkt, etwa durch den geplanten Aufbau schulischer Strukturen im neuen Innovations- und Trainingspark in Prizren, sowie der Reformbedarf des kosovarischen Ausbildungssystems wurden in Wortbeiträgen hervorgehoben.
Weitere Informationen zum Thema des Roundtables finden Sie in der Studie vom GAP – Institute for Advanced Studies „The emigration of Kosovo’s labor force to Germancy. A brief assessment of positive and negative returns“, die hier in englischer Sprache verfügbar ist.