Veranstaltungen – Wissenschaftlicher Stab
Private Sponsorenprogramme zur Aufnahme von Schutzbedürftigen: Chancen, Herausforderungen, Erfahrungen
Englischsprachiger Roundtable am 20. November 2018 im ProjektZentrum Berlin
In Europa und Deutschland gewinnen Private Sponsorenprogramme als Option zur aktiven Aufnahme von Schutzbedürftigen an Prominenz. Sie können eine innovative Form der Flüchtlingsaufnahme darstellen, neue Formen der Zusammenarbeit zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren und Akteurinnen hervorbringen, und konstruktives zivilgesellschaftliches Engagement stärken. Länder, die solche Programme bereits implementiert haben, berichten von überaus positiven Effekten. Die Bundesregierung plant ein Pilotprogramm für Deutschland.
Der SVR stellte das Thema am 20. November 2018 in den Mittelpunkt einer vertraulichen Diskussionsveranstaltung. Teilnehmende aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Verwaltung, Verbänden und Flüchtlingsorganisationen tauschten sich zu den Chancen und Herausforderungen von solchen Privaten Sponsorenprogrammen aus.
Nach einer Begrüßung durch die SVR-Geschäftsführerin Dr. Cornelia Schu gab Dr. Jan Schneider, Leiter des SVR-Forschungsbereichs, einen Überblick über die verschiedenen Modelle der Aufnahme von Flüchtlingen, unter denen er Private Sponsorenprogramme verortete und besondere Charakteristika nannte.
Als internationale Gäste waren bei der Veranstaltung Tim Finch von Sponsor Refugees UK und Chris Clements von Reset Communities and Refugees UK eingeladen – zwei Institutionen, die die Umsetzung von Privaten Sponsorenprogrammen in Großbritannien in den letzten Jahren maßgeblich vorangetrieben haben. Sie konnten wertvolle Erfahrungswerte aus dem britischen Kontext in die Diskussion einbringen.
Tim Finch hielt in seiner Keynote ein engagiertes Plädoyer für Private Sponsorenprogramme, da sie für alle Beteiligten – die Schutzsuchenden, die Sponsorengruppe sowie die Kommune – durchweg positive Effekte haben. Durch die enge Betreuung der Schutzsuchenden durch die jeweilige Sponsorengruppe wird einer der wichtigsten integrationspolitischen Schritte fast automatisch erreicht: der Aufbau sozialer Kontakte im direkten Lebensumfeld. Dies sei ganz entscheidend für die mittel- und langfristige Integration. Als Sponsoren konnten viele Mitglieder der Bürgergesellschaft gewonnen werden, die sich vorher nicht bzw. nicht viel mit dem Thema Flüchtlinge auseinandergesetzt hatten. Finch betonte, dass die Sponsorenprogramme weder in Konkurrenz zu staatlichen Programmen stünden noch zu anderen Gruppen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, sondern eine zusätzliche Unterstützung darstellten. Finch ging auch auf bestehende Hürden ein: So sei es beispielsweise aufwändig, eine gut funktionierende Gruppe zu gründen und durch das britische Innenministerium autorisieren zu lassen, Unterkünfte zu finden und die Motivation aller Beteiligten langfristig aufrecht zu halten. Dennoch würde er Interessierten immer wieder raten, einfach loszulegen und sich nicht von möglichen Problemen oder Ängsten vor Gegenwind abschrecken zu lassen.
Die Teilnehmenden zeigten sich sehr interessiert an der konkreten Umsetzung – von der Formierung, Schulung und Autorisierung einer Gruppe bis zur (möglichen) Evaluation des Prozesses. Auch die Frage von Auswahlkriterien und „Matchingprozessen“ wurde ausführlich diskutiert.
Prof. Dr. Petra Bendel, Geschäftsführerin des Zentralinstituts für Regionenforschung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied im Sachverständigenrat, ging in ihrem Vortrag zur Mobilisierung und Unterstützung von Sponsorinnen und Sponsoren auf die Situation in Deutschland ein. Sie betonte, dass das Risiko für Privatleute minimiert und der Umfang des Engagements geklärt sein müsse. Eine zentrale Rolle komme den Kommunen und der kommunalen Leitungsebene zu, die solche Programme begleiten und unterstützen müsse. Politik und Zivilgesellschaft müssten den Rahmen klar eingrenzen, um Sponsorinnen und Sponsoren zu schützen und Frustration zu vermeiden sowie Programme effektiv zu machen.
Chris Clements legte den Schwerpunkt seines Vortrags auf Chancen und Risiken privater Sponsorenprogramme und betonte die Aktivierung ganz neuer Unterstützerkreise und die enorme Motivation, die diese Personen mitbringen. Die direkte Unterstützung ermögliche einen schnelleren Spracherwerb und einen leichteren Einstieg in den Arbeitsmarkt. Trainings und professionelle Unterstützung für die Sponsorengruppen, so Clements, seien sehr wichtig, um diese auch für Problemsituationen zu rüsten. Generell plädierte er vor allem dafür, auf die Zivilgesellschaft zu vertrauen.
Die Veranstaltung wurde ermöglicht durch eine Förderung der Open Society Initiative for Europe innerhalb der Open Society Foundations. Sie fand im Rahmen der Reihe European Dialogue on Migration statt. Weitere Veranstaltungen im Rahmen dieser Dialogreihe waren die Veranstaltung „Integrationsmodelle und -politik in Deutschland und Polen: Ähnlichkeiten, Unterschiede, gemeinsame Herausforderungen“ im März 2017 in Berlin sowie die Veranstaltung „Aufnahme und Integration von Flüchtlingen in Deutschland und in Polen: Ähnlichkeiten, Unterschiede, Herausforderungen“ im Mai 2017 in Warschau.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in unserem Policy Brief „Die Zukunft der Flüchtlingspolitik? Chancen und Grenzen von Resettlement im globalen, europäischen und nationalen Rahmen“