Veranstaltungen – Wissenschaftlicher Stab

Warten oder klagen? Chancen und Risiken von Untätigkeitsklagen gegen Einbürgerungsbehörden

Digitale Mittagsveranstaltung des wissenschaftlichen Stabes des SVR am 14. November 2024

Seit 2021 steigt die Zahl der Einbürgerungen jedes Jahr erheblich. Gleichzeitig ist es zu einem nie dagewesenen Verfahrensstau gekommen; kaum eine Staatsangehörigkeitsbehörde kann Einbürgerungsanträge in einem vertretbaren Zeitraum bearbeiten. Es kommt zu monate-, teils jahrelangen Wartezeiten – ein untragbarer Zustand für diejenigen, die einen Antrag gestellt haben oder stellen wollen. Ein Weg, sich hiergegen zur Wehr zu setzen, können Untätigkeitsklagen sein. Ziel ist es, die Staatsangehörigkeitsbehörde mit einem Gerichtsbeschluss dazu zu verpflichten, bis zu einer bestimmten Frist über den Einbürgerungsantrag zu entscheiden. In der Tat schnellt die Zahl der eingereichten Untätigkeitsklagen bei den Verwaltungsgerichten derzeit in die Höhe. Doch ist der Klageweg in jedem Fall sinnvoll? Daran gibt es Zweifel, zum einen, weil diese Klagen nicht automatisch erfolgreich sind, zum anderen, weil die Bearbeitung erhebliche Zusatzkapazitäten in den Behörden und bei Gericht bindet und damit das System weiter lähmen kann.

Die vom wissenschaftlichen Stab des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) gemeinsam mit dem Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI) organisierte Informations- und Diskussionsveranstaltung diskutierte Lösungsansätze für das Dilemma und wurde von Dr. Marie Walter-Franke, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der SVR-Geschäftsstelle, moderiert. Erik Rose, Geschäftsführer des BZI, wies in seinem Grußwort auf die Bedeutung der jüngsten Reform des Staatsangehörigkeitsrechts für die kommunalen Behörden hin, die ohnehin mit erheblichen finanziellen und personellen Engpässen konfrontiert seien. In diesem Kontext sei in den Modellregionen Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz das durch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus geförderte Projekt Pass[t] genau! Beratungsnetzwerk für Einbürgerungsinteressierte entstanden. Ziel sei u. a. eine systematische Kooperation zwischen kommunalen Migrations- bzw. Integrationsbeiräten und Einbürgerungsbehörden, um Letztere zu entlasten. In seinem Input-Vortrag ging Dr. Jan Schneider, Leiter des Bereichs Forschung in der SVR-Geschäftsstelle, näher auf die wachsende Zahl an Untätigkeitsklagen sowie die damit verbundenen Problematiken ein, skizzierte das übliche Verfahren bei den Verwaltungsgerichten und präsentierte Lösungsansätze zur Vermeidung unnötiger Klagen. In zwei weiteren Impulsen ging zunächst Peter Schlotzer vom Regierungspräsidium Darmstadt auf den Umgang mit dem Phänomen in Hessens größter Einbürgerungsbehörden ein, bevor Zainah Sjawie, Projektreferentin im BZI-Projekt, Praxiserfahrungen bei „Pass[t] genau!“ berichtete und verdeutlichte, dass die Arbeit der Lotsinnen und Lotsen wechselseitiges Vertrauen fördern und mehr Transparenz herstellen kann.

In der abschließenden Diskussion meldeten sich auch zahlreiche der über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Kommentaren zu Wort. Dabei zeigte sich, dass es auf kommunaler Ebene ein verstärktes Bewusstsein für die Problematik der zunehmenden Klagen gibt und vielfach versucht wird, schneller zu werden oder dringende Fälle vorzuziehen. Jedoch existierten kaum nachhaltige Lösungsansätze, da es vielerorts schlichtweg an Personalressourcen mangele und überhaupt kein direkter Kontakt zwischen Antragstellenden und Behörde mehr zustande komme. Gleichzeitig wurde u. a. mit Verweis auf das Demokratieprinzip, wonach lange Wartezeiten Einbürgerungsberechtigte von der Teilnahme an Wahlen ausschließen, aber auch auf persönliche Nachteile wie mangelnde Reisefreiheit argumentiert, dass vielfach nur auf dem Gerichtsweg ein Zugang zur Staatsangehörigkeit in vertretbarer Frist zu erreichen sei. Gleichzeitig könne dadurch der nötige Druck auf die Politik erhöht werden, für Abhilfe zu sorgen.

Die Folien zum Impulsvortrag von Dr. Jan Schneider stehen zum Download zur Verfügung.

Präsentation von Dr. Jan Schneider

Moderatorin Dr. Marie Walter-Franke

Jan Schneider bei seinem Input-Vortrag

Impuls von Zainah Sjawie vom BZI-Projekt „Pass[t] genau!“

Fotos: SVR gGmbH

 

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