Presseinformation – Wissenschaftlicher Stab

SVR-Studie: Lernende stärken, Chancengleichheit an Schulen fördern

Mit Weisen Interventionen können Lehrkräfte herkunftsbedingte Leistungsunterschie­de in Schulklassen wirksam reduzieren und damit Chancengleichheit aktiv fördern. Das ist das Ergebnis eines von der Stiftung Mercator geförderten Forschungs-Praxis-Projekts, in dem verschiedene Unterrichtsstrategien getestet und im Rahmen eines Handbuchs für den Transfer in die schulische Arbeitspraxis aufbereitet worden sind.

Berlin, 24. August 2021. „Wir wissen, dass es zu Ängsten und Leistungsblockaden kommen kann, wenn Lernende wahrnehmen, dass andere ihnen gute Leistungen nicht zutrauen – zum Beispiel aufgrund ihrer Herkunft. Heranwachsende sind da besonders sensibel. Wenn sie sich durch solche negativen Stereotype bedroht fühlen, verlieren sie Vertrauen in sich selbst, ihre Lehrkräfte oder die Schule als Ganzes. Das kann langfristig sogar zum Schulabbruch führen,“ sagt Dr. Mohini Lokhande, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Co-Autorin der SVR-Studie „Lernende stärken! Wie Lehrkräfte mit Weisen Interventionen wirken können“. Mit Hilfe dieser psychologischen Unterrichtsstrategien können Kinder in der Schule von ihren Lehrerinnen und Lehrern gestärkt werden, indem sie lernen, eine positive Leistungsüberzeugung zu entwickeln.  

Der wissenschaftliche Stab des SVR hat für zwei Weise Interventionen eine groß angelegte Evaluationsstudie durchgeführt. Dabei wurde untersucht, wie sich die Mathematikleistungen von Kindern aus fünften Klassen in Schulen im Ruhrgebiet entwickeln, wenn vorab geschulte Lehrkräfte diese Interventionen im Unterricht selbständig durchführen. Es handelt sich dabei um Übungen und Strategien, bei denen sich Schülerinnen und Schüler vor einer Klassenarbeit ihre individuellen Stärken vergegenwärtigen oder Lehrkräfte sich bewusst machen, dass alle Kinder Potenzial zur Weiterentwicklung haben. Die Analysen des Forscherteams basieren auf Angaben von 889 Schülerinnen und Schülern aus mehr als 50 Klassen.

„Beide Interventionen haben den Praxistest bestanden“, berichtet Lokhande. „Wir haben gesehen, dass Kinder, die die Erfahrung gemacht haben, dass man ihnen aufgrund ihrer Herkunft keine guten Leistungen zutraut, mit Hilfe der motivationsförderlichen Unterrichtsstrategien bessere schulische Leistungen erbringen. Sie konnten zeigen, was wirklich in ihnen steckt. Nach der Lehrkraftschulung zur wachstumsorientierten Grundhaltung haben wir auch eine langfristige Leistungssteigerung festgestellt. Schülerinnen und Schüler profitierten von dieser Intervention auch zu Beginn des nächsten Schuljahres und dass, obwohl sie aufgrund der Corona-Pandemie und der Sommerferien länger keinen Präsenzunterricht hatten.“

Ziel des von der Stiftung Mercator geförderten Projekts war es, die in den USA sowie vom SVR-Forschungsbereich bereits 2017 an Schulen in Berlin erfolgreich erprobten Interventionen auf ihre selbständige Anwendbarkeit durch Lehrkräfte im deutschen Schulkontext zu überprüfen. Gleichzeitig wurde ein Handbuch mit Materialien für den Unterricht und für die Vermittlung in der Lehrerbildung entwickelt.

„Ein nachhaltiger und wirksamer Transfer in die Schulpraxis kann aber nur gelingen, wenn dieser in die Gesamtstrategie der jeweiligen Schule eingebettet wird,“ sagt Christiane von Websky, Bereichsleiterin Teilhabe und Zusammenhalt der Stiftung Mercator. „Lehrkräfte müssen von der Schulleitung und der Schulverwaltung also so unterstützt werden, dass sie die Unterrichtsstrategien in ihrem jeweiligen Kontext auch anwenden können.“ Denn auch das habe die Pilotierung gezeigt: Weise Interventionen können nur erfolgreich sein, wenn sie den Vorgaben entsprechend umgesetzt werden.

„Die pädagogische Aus- und Weiterbildung spielt hier deshalb eine besonders wichtige Rolle, um Chancengleichheit an Schulen unabhängig von der Herkunft der Schülerinnen und Schüler zu fördern“, so von Websky weiter. „Wir freuen uns daher sehr, dass die Bezirksregierungen in Düsseldorf und Arnsberg sowie das Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen das Projekt unterstützt haben und wir gemeinsam derzeit darüber nachdenken, wie die Erfahrungen aus dem Projekt in die Praxis der Lehrkräftebildung einfließen können.“

SVR-Studie und Handbuch stehen unter diesem Link zum Download zur Verfügung.

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Über den Sachverständigenrat

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration ist ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Gremium der wissenschaftlichen Politikberatung. Mit seinen Gutachten soll das Gremium zur Urteilsbildung bei allen integrations- und migrationspolitisch verantwortlichen Instanzen sowie der Öffentlichkeit beitragen. Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Petra Bendel (Vorsitzende), Prof. Dr. Daniel Thym (Stellvertretender Vorsitzender), Prof. Dr. Viola B. Georgi, Prof. Dr. Marc Helbling, Prof. Dr. Birgit Leyendecker, Prof. Dr. Steffen Mau, Prof. Panu Poutvaara, Ph.D., Prof. Dr. Sieglinde Rosenberger und Prof. Dr. Hans Vorländer.

Der wissenschaftliche Stab unterstützt den Sachverständigenrat bei der Erfüllung seiner Aufgaben und betreibt darüber hinaus eigenständige, anwendungsorientierte Forschung im Bereich Integration und Migration. Dabei folgt er unterschiedlichen disziplinären und methodischen Ansätzen. Die Forschungsergebnisse werden u. a. in Form von Studien, Expertisen und Policy Briefs veröffentlicht.

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